Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gehetzte Uhrmacher

Titel: Gehetzte Uhrmacher
Autoren: J Deaver
Vom Netzwerk:
seinen Hals sinken zu lassen.
    »Womöglich hat er etwas verschüttet.«
    »Glaub ich nicht«, sagte Rhyme. »Er wäre nicht so sorglos.«

    Richtig, ich passe auf, dachte sie weiter. Aber wieso sollte ich fegen?
    Ich bin er …
    »Warum?«, flüsterte Rhyme.
    »Er...«
    »Nicht er «, fiel der Kriminalist ihr ins Wort. »Du bist er, Sachs. Denk dran. Du.«
    » Ich bin ein Perfektionist. Ich will so viele Spuren wie möglich beseitigen.«
    »Stimmt, aber was du durch das Auffegen gewinnst, verlierst du durch die zusätzliche Zeit, die du am Tatort zubringen musst«, sagte Rhyme. »Nein, es muss noch einen anderen Grund geben.«
    Sachs versetzte sich noch tiefer in die Situation, hob in Gedanken die Stange an, drückte dem Mann das Seil in die Hände, starrte ihm in das entsetzte Gesicht, auf die hervorquellenden Augen. Ich stelle die Uhr neben seinen Kopf. Sie tickt, tickt... Ich schaue zu, wie er stirbt.
    Ich hinterlasse keine Spuren. Ich fege alles auf...
    »Denk nach, Sachs. Was hat er vor?«
    Ich bin er …
    »Ich komme zurück, Rhyme«, platzte es jäh aus ihr heraus.
    »Was?«
    »Ich komme zurück zum Tatort. Ich meine, er kommt zurück. Deshalb hat er hier gefegt. Weil er auf gar keinen Fall etwas hierlassen wollte, das Rückschlüsse auf ihn erlaubt: keine Fasern, Haare, Schuhabdrücke oder Schmutz in den Sohlen. Er hat keine Angst, wir könnten ihn dadurch bis zu seinem Versteck verfolgen – er ist zu gut, um derartige Spuren zurückzulassen. Nein, er befürchtet, wir könnten etwas finden, das uns hilft, ihn zu erkennen, wenn er zurückkommt.«
    »Okay, das könnte die Erklärung sein. Vielleicht ist er ein Voyeur und schaut andern gern beim Sterben zu oder der Polizei bei der Arbeit. Oder er will vielleicht sehen, wer sich auf die Jagd nach ihm macht... damit er demjenigen zuvorkommen kann.«
    Sachs spürte, wie ihre Nackenhaare sich aufrichteten. Sie sah sich um. Auf der anderen Straßenseite stand die übliche kleine Gruppe von Gaffern. War der Täter darunter und beobachtete sie in diesem Moment?

    »Eventuell war er auch schon wieder da«, fügte Rhyme hinzu. »Er ist irgendwann heute Morgen vorbeigekommen und hat sich vergewissert, dass das Opfer auch wirklich tot ist. Was bedeutet...«
    »Dass er irgendwo anders eine Spur hinterlassen haben könnte. Abseits des Tatorts. Auf dem Bürgersteig oder der Straße.«
    »Genau.«
    Sachs schlüpfte unter der Absperrung des Tatorts hindurch und schaute sich auf der Straße um. Dann nahm sie den Gehweg vor dem Gebäude in Augenschein. Dort im Schnee gab es ein halbes Dutzend Fußspuren. Sie konnte unmöglich wissen, ob sie von dem Uhrmacher stammten, aber einige – die Abdrücke breiter Schneestiefel mit Waffelmuster – deuteten darauf hin, dass jemand, vermutlich ein Mann, einige Minuten lang an der Mündung der Gasse gestanden und sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagert hatte. Amelia ließ den Blick in die Runde schweifen und kam zu dem Schluss, dass es keinen ersichtlichen Grund gab, dort stehen zu bleiben – es gab in der Nähe weder Telefonzellen noch Briefkästen oder Fenster.
    »Hier auf der Cedar Street, direkt vor der Gasse gibt es ein paar ungewöhnliche Stiefelspuren«, teilte sie Rhyme mit. »Ziemlich groß.« Sie suchte die Stelle genauer ab und grub in einer Schneewehe. »Hier ist noch etwas.«
    »Was?«
    »Eine goldfarbene Geldklammer aus Metall.« Ihre Finger in den Latexhandschuhen schmerzten vor lauter Kälte. Sie zählte die Banknoten ab. »Dreihundertvierzig in neuen Zwanzigern. Unmittelbar neben den Stiefelabdrücken.«
    »Hatte das Opfer Geld dabei?«
    »Sechzig Dollar, ebenfalls in neuen Scheinen.«
    »Vielleicht hat der Täter die Geldklammer gestohlen und dann auf der Flucht verloren.«
    Sachs verstaute sie in einer Beweismitteltüte, sah sich dann weiter auf dem Bürgersteig um, fand aber nichts mehr.
    Die Hintertür des Bürogebäudes öffnete sich. Im Durchgang standen Sellitto und ein uniformierter Sicherheitsbeamter. Sie warteten ab, während Amelia zunächst die eigentliche Tür untersuchte. Dort nahm und fotografierte sie eine Million Fingerabdrücke, wie
sie es Rhyme gegenüber ausdrückte (er lachte nur in sich hinein). Dann überprüfte sie die schwach beleuchtete Eingangshalle, ohne jedoch auf irgendeinen klar ersichtlichen Hinweis zu stoßen.
    Plötzlich schallte die hektische Stimme einer Frau durch die kalte Luft. »O mein Gott, nein!«
    Eine untersetzte Mittdreißigerin rannte auf das Absperrband zu, wo
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher