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Gehen oder bleiben? - Entscheidungshilfe für Paare

Gehen oder bleiben? - Entscheidungshilfe für Paare

Titel: Gehen oder bleiben? - Entscheidungshilfe für Paare
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Vordergrund. Damit wurde in erster Linie die Individualität innerhalb von Beziehungen betont, das steigende Verlangen nach Selbstverwirklichung wurde damit zum Knackpunkt vieler Beziehungen. Gleichzeitig wurde der Anspruch erhoben, dass der Partner keine Ansprüche mehr an einen stellen darf nach dem Motto: »Du hast mir gar nichts zu sagen!« Die eigene Person soll so vor jeder Vereinnahmung und Manipulation durch den Partner geschützt werden. Unterstützt wurde dieser Wertewandel von prominenten Vertretern der humanistischen Psychologie. Für sie zählten die Selbstverwirklichung zu den höchsten und reichsten Bedürfnissen des Menschen. Der Schlüssel für eine gute Beziehung wurde darin gesehen, zu wissen, was man will, zu sagen, was man will, und zu bekommen, was man will. Diese Werte haben zwar zu mehr Gesprächskultur, Bewusstheit und Klärung der Geschlechterfragen beigetragen, aber nicht unbedingt die Beziehungen verbessert, wie die hohe Scheidungsrate deutlich macht. Zu hohe individuelle Ich-Ambitionen machen Beziehungen nicht nur problematisch, sondern auch schneller kündbar. Der endgültige Aufstieg der Gefühle begann Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre. Der damit verknüpfte Wertewandel lässt sich als Wandel von der »Ich-AG zur Wir-AG« beschreiben. Seine Merkmale sind eine Aufwertung von Gemeinschafts- und Intimitätswerten: Familie, Rückzug ins Private, emotionale Intensität und Nähe, Liebe und Intimität sowie ein lebendiges Miteinander. Und in diesem Rahmen wird Partnerschaft neu entdeckt und gelebt: als Möglichkeit, sich noch als Ganzes zu erfahren, als persönliche Sinnstiftung auf dem Hintergrund einer romantischen Vorstellung von Liebe und Glück. Man will wieder Teil eines größeren sinnvollen Ganzen, aber auch ein eigenständiges Individuum sein. Das sind die Spielregeln, nach denen viele Paare heute ihr Glück versuchen. Das Gute daran: Die Partner stehen einander wieder näher. Das Problem dabei: Viele Paare befinden sich heute mit ihrer Partnerschaft in einer Situation, in der alte Werte wie Toleranz und Nachsicht neu entdeckt und mit modernen Werten wie Autonomie und Intimität in ein neues Gleichgewicht gebracht werden müssen.
    In der Praxis zeigt sich meist, dass die Lösung irgendwo zwischen Altbewährtem und neu Gefundenem, zwischen traditionellen und modernen Werten liegt.
Alte Erwartungen und neue Rollen
    Die Rollenvorgaben im Zusammenleben von Mann und Frau sind heute nicht mehr fest gefügt und selbstverständlich, sondern müssen von Paar zu Paar erst herausgefunden und dann umgesetzt werden. Dies kann Partner und Paare partiell oder auch auf Dauer überfordern. Dies liegt unter anderem daran, dass Männer wie Frauen, wenn sie eine feste Beziehung eingehen, immer noch traditionelle Vorstellungen im Kopf haben, zugleich aber auch hoffen, neue Rollen innerhalb ihrer festen Beziehung leben zu können. Oberflächlich gesehen mögen sich die Rollen von Mann und Frau, Mutter und Vater angeglichen haben, doch unterschwellig wirken die alten Rollenmuster meist weiter und sorgen für Irritation – auch weil die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen das Ihre dazutun.
    Sobald ein Paar eine feste Beziehung eingeht, zusammenlebt und Kinder bekommt, läuft es Gefahr, in traditionelle Rollenmuster zurückzufallen. Kinder und Karriere sind hierzulande schwer zu vereinbaren – zumindest für Frauen. Und das beeinflusst auch das Verhältnis der Geschlechter und die Liebe. Da ist zum einen der Trend zur späten Geburt. Zum anderen das Ungleichgewicht zwischen den Partnern. Mit Kindern verändern sich für beide die Dinge, für Frauen jedoch mehr. So werden aus ehemals »Gleichen« rasch »Ungleiche«: Männer haben in Sachen Kind und Karriere bessere Karten. Die gleichberechtigte Partnerschaft rudert zurück zur traditionellen Rollenverteilung – zumindest auf Zeit. Wer dennoch das Abenteuer Doppelverdiener und Kinder wagt, hat auch mit schlechten Rahmenbedingungen zu kämpfen. Und dies macht sich in gesteigertem Beziehungsstress bemerkbar. Denn im familiären Alltag zieht meist einer der Partner den Kürzeren. Zwar ist das klassische Modell –der Mann geht arbeiten, die Frau hütet die Kinder und macht den Haushalt – alles andere als ausgestorben, aber es stellt nur noch eine Möglichkeit unter vielen dar.
    Alle Modelle haben so ihren Preis. Wer den Berufsausstieg auf Zeit wagt, begibt sich oft auf einen Weg ohne Wiederkehr in den erlernten Beruf oder in geringfügige
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