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Geheimsache Labskaus

Geheimsache Labskaus

Titel: Geheimsache Labskaus
Autoren: Ina Martin und Rometsch Verg
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Zahnausfall. Sie konnten daher kaum feste Nahrung zu sich nehmen). Als Beilagen werden heute oft Essiggurken, Rollmops und Spiegelei gereicht. Siehe Abbildung 59, Seite 134.“
    Zack blätterte, bis er das Foto mit der Nummer 59 gefunden hatte. Es zeigte eine rosafarbene, klumpige Pampe. Auf dem formlosen Brei thronte eine grau-grüne Essiggurke, daneben glibberte ein Spiegelei. „Pfui Teufel!“ Angewidert klappte Zack das Lexikon der Norddeutschen Küche zu. Anderling hatte ihm das Buch gegeben. „Schlag nach unter Labskaus. Damit du weißt, um was es hier geht“, hatte er gesagt und ihn im leeren Vierbettzimmer allein gelassen.
    Normalerweise war im Jungenhaus jedes Bett besetzt. Aber die schwer erziehbaren Bewohner von Zacks Zimmer waren für zwei Wochen an die Nordsee geschickt worden. „Nicht zum Baden oder faul in der Sonne Liegen! Die sind Wattwürmer zählen. Zwölf Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Kein Witz“, hatte Anderling gelacht. Angeblich für irgendein Naturschutzprojekt. Das, so hatte man den minderjährigen Missetätern erklärt, solle sie Verantwortung lehren und ihnen ihre Umwelt näherbringen. Derweil standen ihre Betten im fernen Hamburg verlassen da, und Zack verbrachte seinen ersten Abend im Kinderbesserungsheim Elbstrand mutterseelenallein.
    Er trug die Kleidung, die Anderling ihm vorhin aufgezwungen hatte: eine scheußlich gurkengrüne Latzhose, ein scheußlich gurkengrünes T-Shirt und eine Kapuzenjacke, die vielleicht einmal lila gewesen, inzwischen aber ziemlich verwaschen war. Hätte sich Zack im Spiegel sehen können, er wäre sehr an das Foto Nummer 59 erinnert worden.
    Auf dem Tisch stand ein vollgekrümelter Teller. Darauf hatte einer der Muskelmänner ihm ein Käsebrot serviert, weil Zack das Abendessen verpasst hatte. Zack sah aus dem Fenster und blickte auf den Zaun, der das Gelände umschloss. Dahinter lag irgendwo die Elbe.
    Er stellte sich vor, wie dort das Leben seinen gewohnten Gang nahm: Während die riesigen Containerschiffe Richtung Hafen fuhren, genossen die Menschen am Ufer den lauen Abend, vielleicht grillten sie Würstchen überm Lagerfeuer. Bestimmt würde der Sonnenuntergang das Wasser bald in dunkelrotes Licht tauchen. Zack seufzte sehnsuchtsvoll.
    Um zehn Uhr legte er sich ins Bett. Er war todmüde, konnte aber nicht schlafen. Immer wieder sah er auf die Anzeige seiner Armbanduhr, die schwach im Dunkel leuchtete. 23:21, 23:45, 00:02 …

Donnerstag, 23. Juli, 6.00 Uhr
    Irgendwann musste er doch eingeschlafen sein, denn um Punkt sechs Uhr riss ihn ein ohrenbetäubendes Dröhnen aus dem Schlaf. Zum Wecken betätigte man hier offenbar eine Fußballtröte. Dann erklang Anderlings schlecht gelaunte Stimme: „Labskaus-Frühdienst bitte in die Küche.“ Die Anweisung schallte aus einem Lautsprecher direkt über der Tür. „Ich wiederhole: Labskaus-Frühdienst bitte in der Küche einfinden! Und denkt daran: Der Tag wird gut!“
    „Sehr witzig.“ Zack zog sich die Decke über den Kopf. In Sekundenschnelle war er wieder eingeschlummert.
    „GLEICH-GEHT’S-LO-HOS!“ Zack fuhr hoch. Aus dem Lautsprecher schepperte es noch einmal mit Nachdruck:
    „GLEICH-GEHT’S-LO-HOS! Noch eine Minute bis zum Frühdienst!“
    „Schon gut“, murmelte der Junge schlaftrunken, wälzte sich mühsam von der Matratze, zog Latzhose und Kapuzenpulli über und wankte aus seinem Zimmer. In der Ferne konnte er Stimmengewirr und hastige Schritte hören – es gab also noch mehr Kinder, die Frühdienst hatten. Den Weg zur Küche hatte ihm Anderling gestern gezeigt. Zack bog rechts aus seinem Zimmer, schlurfte den Gang hinunter, zur Türe raus, über den Hof, in das große Gebäude gegenüber, bis zur dritten Tür links. Er drückte die Klinke – abgeschlossen! Er probierte die Tür des Nebenzimmers. Dann die des Zimmers neben dem Nebenzimmer. Alle verschlossen. Ratlos stand er auf dem leeren Flur.
    „Suchst du was?“ Zack fuhr herum. Die barsche Stimme gehörte einem Mädchen, fast einen Kopf größer als er. Es hatte die Arme in die Hüften gestemmt. Ziemlich kräftige Arme. Und ziemlich stämmige Hüften. Zack hatte nicht die geringste Lust, sich mit dieser Person anzulegen. „Äh, ja, guten Morgen auch“, stammelte er. „Ich suche die Küche.“
    „Labskaus-Frühdienst?“, fragte die imposante Gestalt.
    Zack nickte.
    „Ich auch. Komm, ich zeig dir den Weg. Wir sind spät dran.“ Der Junge hastete hinterher. Die Gänge hier kamen ihm vor wie ein Labyrinth. „Übrigens,
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