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Geheimnisvolle Beruehrung

Geheimnisvolle Beruehrung

Titel: Geheimnisvolle Beruehrung
Autoren: Nalini Singh
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Besorgnis stand in ihren Augen. »Bist du jetzt ungeschützt?«
    Ihr Mitgefühl kam nicht überraschend, es war schließlich der Grund, warum man sie gefoltert hatte. »Nein. Ich kann ohne Schwierigkeiten zwei Schilde aufrechterhalten.« Zweifellos war er der mächtigste Mediale im Netz, seine Kräfte konnten den Stoff zerstören, aus dem ihre Gattung bestand, oder alles kontrollieren. Wofür er sich entscheiden mochte … hing allein von dieser Frau ab.
    Wenn sie Rache wollte, würde er die Welt in ein Schlachthaus verwandeln.
    Sie schnitt sich von seiner Muffinhälfte ein Stück ab. »Kannst du mich sehen?«
    »Deine Gedanken gehören nur dir.« Nur ein einziges Mal hatte er in ihren Kopf gesehen, in dem kurzen Augenblick der Teleportation.
    Wieder der intelligente Blick. »Kann ich deine Geheimnisse sehen, weil wir in einer Schale sind?«
    »Nein. Das möchtest du auch gar nicht.« Eine Warnung. »Gerüchte im Medialnet besagen, dass ich Leute in den Irrsinn treiben kann.«
    Kein Erschrecken, nicht einmal Furcht, nur volle Aufmerksamkeit, als hätte sie noch mehr aus seinen Worten herausgehört. »Kannst du das?«
    »Ja.« Er hätte sie gern gefragt, was sie in ihm sah, ob der Albtraum für die mitternachtsblauen Augen sichtbar war. »Bis sie Phantome sehen und fürchterliche Stimmen hören, bis sie nicht mehr Teil der vernünftigen Welt sind, sondern nur noch gebrochene Kopien ihres früheren Selbst.«
    »Warum tust du das?«
    »Weil ich es kann.«

4
    Sie hörte, was der Mann sagte, der so schwer einzuschätzen war wie eine Kobra vor dem Biss und bei dessen Stimme sich jedes Haar an ihrem Körper aufrichtete, doch sie wusste genau, dass er ihr etwas verschwieg. Sie konnte sich nicht erklären, ja nicht einmal in Worte fassen, was sie so sicher machte oder warum es sie so heftig danach verlangte, die eisige Fassade herunterzureißen. Nur eines war in dem Augenblick, in dem sie noch überlegen, noch denken konnte, kristallklar: Sie brauchte ihre Fähigkeiten, um der kalten Kraft standzuhalten.
    Sonst würde sie nicht überleben.
    Anders als die Wärter, die sie brechen wollten, würde sich der Kardinalmediale ihr gegenüber nicht von dem Labyrinth aufhalten lassen. Fest entschlossen würde er tiefer gehen und sie aus ihrem Versteck holen. Rücksichtslos, mit aller Brutalität. Nichts und niemand würde ihn aufhalten können – und schon gar nicht eine Mediale, die ihre größten Fähigkeiten beschnitten hatte.
    Sie trank die süße Flüssigkeit, die er ihr in fürsorglicher Absicht gegeben hatte, mit der er aber wohl nur ihr Vertrauen gewinnen wollte. Sie …
    Das Labyrinth drehte sich.
    Doch dieses Mal drehte sie sich mit ihm, denn sie wollte dem Gedanken weiter folgen. Mit gefülltem Bauch, dem Gefühl von angenehmer Wärme in der Kehle und dem frischen Duft, der von Kaleb ausging … ganz anders als der männliche Schweiß, den sie gestern Nacht im Sternenlicht gerochen hatte … alles zusammen überzeugte sie davon, dass sie nicht halluzinierte.
    Kaleb konnte keine Halluzination sein, von ihm ging eine Kraft aus, die der Erdanziehung nahe kam, eine stete Erinnerung an die schiere Stärke, mit der er sie durch einen Wimpernschlag aus ihrem Gefängnis in dieses Haus gebracht hatte, das ebenso gut ein weiteres Gefängnis sein konnte. In ihrem gegenwärtigen Zustand, den Geist in Stücken, ihre Fähigkeit kunstvoll in ein undurchdringliches Netz eingewoben, konnte sie das niemals überleben.
    »Es gibt einen Schlüssel zu dem Labyrinth«, sagte sie leise.
    Vollkommen unbeweglich saß er da, wie eine in Stein gehauene Skulptur. »Wo?«
    »In meinem Kopf.« Sie sprach mehr zu sich selbst als zu ihm, während das Labyrinth weiterhin seine Gestalt veränderte, dabei aber nicht mehr die Gedanken abschnitt … was es auch nicht getan hatte, seit sie aus dem ersten wirklichen Schlaf seit Jahrhunderten erwacht war. Über eine Stunde waren ihre Gedanken vollkommen klar gewesen, waren ihr Selbst und ihre Erinnerung nicht durcheinandergeraten.
    Und ihr war klar geworden, was sie getan hatte.
    Es gab keine feste Anleitung, um ihren Geist zu öffnen und das Labyrinth aufzulösen. Nicht einmal sie konnte auf Kommando die kunstvolle Falle entschärfen. Folter, Elektroschläge und mentaler Zwang hatten das schützende Dickicht nur verstärkt. Selbst wenn die Wärter sie totgeschlagen oder bei lebendigem Leib verbrannt hätten, hätte das nichts gebracht.
    Um den vernichtenden Vorgang, den sie selbst in Gang gesetzt hatte, wieder
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