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Geheimnis des Feuers

Geheimnis des Feuers

Titel: Geheimnis des Feuers
Autoren: Henning Mankell
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müssen wir feiern, indem wir dir einen neuen Hut kaufen.«
    Totio sagte nichts. Aber Sofia hatte das Gefühl, er würde lieber seinen alten Hut weiter tragen, wie kaputt und schmutzig er auch sein mochte.
    Sie beschlossen, dass Sofia noch einen Monat bei Fatima bleiben sollte. Dann sollte sie ins Dorf zurückkehren.
    Sofias letzter Arbeitstag bei Fatima war zu Ende. Während der Zeit, in der sie sich selbst überlassen gewesen war, hatte sie eine kleine Decke für Fatima bestickt. Ein blaues Stück Stoff sollte den Himmel darstellen, dahinein hatte sie die Vögel gestickt, die in ihren Käfigen oder um Fatimas Kopf herumflogen. Als sie sich voneinander verabschiedeten, gab sie Fatima das Deckchen. Sofia war verlegen und schlug die Augen nieder, als sie ihr Geschenk überreichte. Fatima schaute es an und stieß einen Freudenruf aus.
    »Wie schön es ist«, sagte sie. »Das wird mich immer daran erinnern, dass du einmal hier gearbeitet hast.« Dann nahm sie die Nadel aus der Nähmaschine, an der Sofia gearbeitet hatte.
    »Nimm sie mit«, sagte sie und gab sie Sofia. »Dann wirst du dich an Fatima und all ihre Vögel erinnern.«
    Am nächsten Tag kamen Doktor Raul und Dolores zu Hermengardas Haus und holten Sofia ab. Sie hatte Hermengarda versprochen, sie so oft wie möglich zu besuchen. Sie verließen die Stadt, einen Tag nachdem der Regen aufgehört hatte. Sofia saß auf dem Rücksitz und diesmal drehte sie das Fenster herunter und ließ den Wind über ihr Gesicht streichen. Jetzt hatte sie keine Angst mehr, nach Hause zurückzukehren.
    Als sie ankamen, standen Lydia und Alfredo vor der Hütte.
    Einen kurzen Moment lang war es, als ob Sofia darauf wartete, dass auch Maria ihr entgegenlaufen würde.
    Dann fiel ihr ein, dass es Maria nur noch in ihr gab.
    Aber sie hatte ein Gefühl, als ob sie endlich zu Hause angekommen wäre.
    12.
    Sofia stand auf, bevor Lydia aufgewacht war. Vorsichtig kroch sie über Alfredo hinweg, nahm ihre Beine, die an der Wand lehnten, und schob sich hinter der Bastmatte durch die Türöffnung. Draußen war es noch dunkel.
    Sofia schnallte die Beine an, erst das linke, dann das rechte. Plötzlich fiel ihr ein, dass sie die Krücken in der Hütte vergessen hatte. Sie richtete sich auf, hielt sich an der Hüttenwand fest und bog die Bastmatte beiseite.
    Sie versuchte es so leise wie möglich zu tun, da sie verschwunden sein wollte, bevor Lydia erwachte. Sie tastete nach den Krücken. Dann ließ sie die Bastmatte zurückfallen und machte sich in der Dunkelheit auf den Weg. Noch hatte sich nicht der erste Lichtstreifen der Dämmerung am Himmel gezeigt. In der Nacht hatte es geregnet. Trotzdem war der Weg fest, und das erleichterte ihr das Gehen. Aber bald würde die Regenzeit kommen und die Dorfwege in sumpfigen Schlamm verwandeln. Sofia dachte daran, wie schwer es dann für sie werden würde vorwärts zu kommen. Die Krücken würden im Schlamm stecken bleiben, sie könnte dann leicht das Gleichgewicht verlieren. Sie hatte den offenen Platz vor der Schule erreicht. Dort bog sie nach rechts ab. In diesem Augenblick sah sie das erste rosa Morgenlicht am Himmel im Osten. Irgendwo in der Nähe krähte ein Hahn, eine Ziege antwortete mit Meckern. Es duftete immer kräftig, wenn es gerade geregnet hatte.
    Sofia atmete die frische Luft tief ein, und das erinnerte sie an das Dorf, in dem sie einmal mit Maria, Muazena und Hapakatanda gelebt hatte.
    Sie hatte das Versprechen nicht vergessen, das sie und Maria einander gegeben hatten. Eines Tages würde sie in das Dorf zurückkehren, in dem Muazenas und Hapakatandas Geister fortlebten und auf sie warteten. Doch sie würde ohne Maria zurückkehren. Aber es würde ein Gefühl sein, als ob Maria dabei wäre.
    Totio war schon wach und saß auf der Holzbank an der Nähmaschine, als Sofia auf ihren Krücken angehüpft kam.
    Sofia spürte eine schwache Unruhe. Vielleicht hatte er es sich anders überlegt?
    Als sie herankam, nickte er ihr zu und machte Platz auf der Bank, sodass sie sich setzen konnte. Keiner sagte etwas.
    Verstohlen sah Sofia Totio an, der in Gedanken versunken zu sein schien. Die Nähmaschine war mit der braunen Holzhaube bedeckt. Aus der Hütte war Fernandas Schnarchen zu hören.
    »Es kommt immer ein Tag, an dem sich das Leben ändert«, sagte Totio plötzlich. »Man weiß, dass es geschehen wird, trotzdem ist es eine Überraschung.« Er beugte sich über den Tisch und hob die Holzhaube ab. Dann strich er mit der Hand über die schwarze
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