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Geheimnis des Feuers

Geheimnis des Feuers

Titel: Geheimnis des Feuers
Autoren: Henning Mankell
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stolz, dass sie nicht einen einzigen Fehler machte an dem Tag, als Totio da war.
    Sie waren schon dabei, die Arbeit des Tages zu beenden, als Totio zu sprechen begann. Fatima war in der Küche verschwunden und klapperte mit Töpfen, als Sofia plötzlich seine Stimme hörte.
    »Jetzt weiß ich, dass du nähen kannst«, sagte er. »Du hast schon gelernt mit einer Nähmaschine umzugehen. Ich bin hergekommen um das zu sehen.« Sofia saß mit den Händen im Schoß da und hörte zu. »Ich bin alt geworden«, fuhr Totio fort. »Meine Sehkraft lässt nach und ich will nicht so schlechte Nähte nähen, dass sich die Kunden beklagen. Darum habe ich beschlossen aufzuhören. Fernanda und ich wollen zurück nach Mueda ziehen. Jetzt bin ich hergekommen um dich zu fragen, ob du meine Hütte und die Nähmaschine übernehmen möchtest.«
    Sofia meinte sich verhört zu haben. »Ich habe kein Geld, um dich zu bezahlen«, sagte sie. »Ich hatte gedacht, du könntest uns welches schicken, wenn du etwas übrig hast«, sagte Totio. »Wir Alten brauchen nicht so viel.«
    Sofia überlegte immer noch, ob da etwas war, was sie nicht verstanden hatte. Meinte Totio, sie solle seine Nähmaschine bekommen? Dass sie die Arbeit als Näherin und Schneiderin in dem Dorf außerhalb von Boane übernehmen sollte? Sie, die noch nicht einmal dreizehn Jahre alt war?
    Totio verstand, dass sie erstaunt war. »Ich habe diese lange Reise nicht gemacht um etwas zu sagen, was nicht stimmt«, fuhr er fort. Sofia begriff, dass er meinte, was er sagte. Die Gedanken flatterten in ihrem Kopf herum wie die Vögel in Fatimas Haus.
    »Ich kann nicht«, sagte sie. »Warum kannst du nicht?«
    Sofia erzählte von Isaias. Und warum sie zurückgekehrt war in die Stadt. Totio nickte langsam und lange, nachdem sie verstummt war.
    »Ich verstehe, dass es schwer wird«, sagte er. »Aber bedenke, dass du Fernandas und meine Hütte übernehmen kannst. Du wirst arbeiten und dich allein versorgen. Du brauchst Isaias nicht zu begegnen, wenn du nicht willst.«
    »Niemals«, sagte Sofia. »Vielleicht. Das entscheidest du selbst.« Er stand mühsam auf und setzte sich den alten Hut auf. Durch die zerschlissene Krempe stach sein graues Haar. »Ich habe gesehen, dass du nähen kannst«, wiederholte er. »Du musst noch viel lernen. Aber jetzt kann ich zurückkehren und Fernanda sagen, dass Sofia die Nähmaschine übernehmen kann. Jetzt ist der Heimweg leichter.« Er kam zu ihr, stellte sich neben sie und legte eine Hand auf ihre Schulter.
    »Du sollst nicht in dieser Stadt bleiben«, sagte er. »Du bist nur zu Besuch. Du gehörst ins Dorf. Jetzt weißt du, dass da etwas ist, wohin du zurückkehren kannst. Komm in einigen Wochen. Lass dir nicht zu viel Zeit.«
    Dann ging er.
    Sofia stand am Fenster und sah ihn im Regen verschwinden. Wahrscheinlich hat Muazena ihn mir geschickt, dachte sie.
    Sie drückte das Gesicht gegen die beschlagene Scheibe. In diesem Augenblick vermisste sie Maria mehr denn je.
    Plötzlich stand Fatima an ihrer Seite. Sofia hatte sie nicht kommen hören.
    »Bist du froh oder traurig?«, fragte Fatima. »Nach dem, was er gesagt hat?«
    »Ich weiß nicht«, antwortete Sofia.
    »Ich habe nicht alles gehört«, sagte Fatima. »Aber ich gebe ihm Recht, du kannst gut nähen. Ich finde, du solltest in das Dorf zurückkehren. Dort bist du zu Hause. Nicht hier.«
    In dieser Nacht saß Sofia zusammengekauert in einer Ecke des Bettes in Hermengardas Haus und dachte darüber nach, was Totio gesagt hatte. Sie sah sich schon auf der Bank im Schatten, wie sie eifrig die schwarze Nähmaschine trat. Der Faden würde sich abspulen, die Nadel ihre geraden, gleichmäßigen Nähte nähen, Kunden würden zufrieden nicken und andere würden Schlange stehen. Aber das Bild verschwand, sobald sie an Isaias dachte. Wie konnte sie im selben Dorf wie Lydia wohnen, da sie sich gegen Sofia entschieden hatte, ihre eigene Tochter, und einem Kerl den Vorzug gegeben hatte, der Tontonto trank? Es würde so schwer werden, dass es die Freude über Totios Nähmaschine dämpfen würde. Ihr fiel ein, was Muazena vor langer, langer Zeit gesagt hatte: Ohne deine Familie bist du nichts.
    Das hatte sie gesagt. Und Sofia wusste, dass es stimmte. Wie enttäuscht sie auch von Lydia war, der Verlust war größer. Jeden Tag hatte Sofia Sehnsucht nach ihr.
    Die Tage vergingen, ohne dass Sofia sich entscheiden konnte, was sie wollte. Fatima fragte sie, aber sie antwortete ausweichend und hockte über ihrer Arbeit. Am
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