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Geheime Spiel

Geheime Spiel

Titel: Geheime Spiel
Autoren: K Morton
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einem Abend in der Küche spürte ich die Blasen. Mrs Townsend hatte mir ein kleines Päckchen Bikarbonat gegeben, und ich hatte vor, ein warmes Fußbad zu nehmen.
    In jener Nacht konnte man der Musik nicht entkommen: Sie erfüllte die Luft, durchdrang die steinernen Hauswände. Im Verlauf der Stunden war sie immer wilder geworden, passend zur zunehmend ausgelassenen Stimmung der Partygäste. Selbst auf dem Dachboden spürte ich noch den Trommelwirbel im Bauch. Bis heute lässt mir Jazzmusik das Blut in den Adern gefrieren.
    Auf dem obersten Treppenabsatz angekommen, hätte ich mir am liebsten gleich ein Bad eingelassen, beschloss jedoch, zuerst mein Nachthemd und meine Zahnbürste zu holen.
    Warme, abgestandene Luft schlug mir entgegen, als ich die Tür zu meinem Zimmer öffnete. Ich schaltete das Licht an, humpelte zum Fenster und riss es auf.
    Einen Moment lang blieb ich dort stehen, genoss die
kühle Luft und sog den leichten Geruch nach Zigarettenrauch und Parfüm ein. Langsam atmete ich aus. Zeit für ein ausgiebiges Bad, und danach würde ich schlafen wie ein Stein. Ich nahm meine Zahnbürste vom Nachttisch und ging zum Bett, um mein Nachthemd zu holen.
    Da entdeckte ich die Briefe. Es waren zwei. Sie lehnten an meinem Kopfkissen.
    Einer war an mich adressiert, einer an Emmeline.
    In Hannahs Handschrift.
    Eine böse Vorahnung überkam mich. Ein seltener Augenblick unbewusster Klarheit.
    Ich wusste sofort, dass ich die Erklärung für Hannahs seltsames Verhalten in diesen Briefen finden würde.
    Ich ließ mein Nachthemd fallen und nahm den Umschlag mit der Aufschrift Grace in die Hand. Mit zitternden Fingern riss ich ihn auf. Glättete das gefaltete Papier, überflog die Seite. Und erstarrte.
    Er war in Stenografie geschrieben.
    Ich setzte mich aufs Bett und starrte auf das Blatt Papier, als könnte ich ihm allein mit Willenskraft seine Nachricht entlocken.
    Die Tatsache, dass ich den Brief nicht entziffern konnte, brachte mich umso mehr zu der Überzeugung, dass sein Inhalt von immenser Wichtigkeit war.
    Ich nahm den zweiten Umschlag in die Hand. Den, der an Emmeline adressiert war. Befühlte seinen Rand.
    Ich zögerte nur eine Sekunde lang. Hatte ich eine andere Wahl?
    Gott möge mir vergeben – ich öffnete ihn.
     
    Meine wunden Füße waren augenblicklich vergessen. Mit pochendem Herzen, dröhnendem Kopf, im Takt der Musik nach Luft ringend rannte ich die Treppe hinunter,
durch leere Zimmer und hinaus auf die Terrasse.
    Atemlos blieb ich stehen und suchte in der Menge fieberhaft nach Teddy. Konnte ihn unter all den zuckenden Schatten und verschwommenen Gesichtern nicht entdecken.
    Mir blieb keine Zeit. Ich würde es allein versuchen müssen.
    Ich bahnte mir meinen Weg durch die Menge, überflog im Vorbeieilen die Gesichter – rote Lippen, geschminkte Augen, lachende Münder. Ich wich Zigaretten und Champagnergläsern aus, duckte mich unter bunten Lampions hindurch und schob mich an der tropfenden Eisskulptur vorbei bis zum Tanzboden hin. Ellbogen, Knie, Schuhe, Handgelenke wirbelten um mich herum. Farben. Bewegung. Das Blut pochte in meinen Schläfen. Ich bekam kaum noch Luft.
    Dann sah ich Emmeline. Oben auf der Steintreppe. Ein Cocktailglas in der Hand, den Kopf lachend in den Nacken gelegt, ihre lange Perlenkette wie ein Lasso um den Hals eines jungen Mannes geworfen. Sein Jackett über ihren Schultern.
    Zu zweit würden wir es schaffen können.
    Ich blieb stehen. Versuchte, mich zu beruhigen.
    Sie richtete sich auf, musterte mich mit schweren Augenlidern. »Grace«, sagte sie affektiert. »Ist das das beste Partykleid, das du finden konntest?« Dann warf sie lachend den Kopf in den Nacken.
    »Ich muss mit Ihnen reden, Miss …«
    Ihr Begleiter flüsterte ihr etwas zu, woraufhin sie ihm einen schmatzenden Kuss auf die Nase drückte.
    Ich versuchte es noch einmal. »Eine sehr dringende Angelegenheit …«
    »Du machst mich neugierig.«

    »Bitte …«, sagte ich. »Unter … vier Augen.«
    Sie seufzte theatralisch, nahm ihre Perlenkette vom Hals ihres Gefährten, kniff ihm in die Wange und zog einen Schmollmund. »Dass du mir nicht zu weit wegläufst, Harry, Darling.«
    Sie knickte auf ihrem hohen Absatz um, quiekte, folgte mir dann kichernd und humpelnd die Treppe hinunter. »Also, was ist los?«, fragte sie beinahe lallend, als wir den Fuß der Treppe erreichten.
    »Es … geht um Miss Hannah, Miss. Sie … hat etwas vor … etwas … etwas Schreckliches … unten am See …«
    »Nein!«, sagte
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