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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie
Autoren: John le Carré
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illegalen Krieg verhindern!« Offenbar konnte ich sogar schon wieder schreien. »Wir beide zusammen wollten das!«
    Philip, der ewige Diplomat, schaltete sich ein, um die Situation zu entsch ärfen.
    »Darum geht es doch gar nicht«, widersprach er behutsam. »London darf nicht zum Tummelplatz ausländischer Aktivisten werden. Schon gar nicht, wenn sie als Krankenpfleger hier sind. Das hat Hannah in letzter Konsequenz akzeptiert, ungeachtet juristischer Spitzfindigkeiten, nicht wahr, Sam? «
    »Nachdem wir ihr das Problem erklärt hatten, war sie absolut kooperativ«, bestätigte Sam. »Natürlich war sie traurig. Aber sie hat nicht um einen Anwalt gebeten sie war weder weinerlich noch aufsässig, und sie hat widerstandslos ihren Klageverzicht unterschrieben. Und warum? Weil sie wußte, was für sie das beste war. Und für Sie. Und natürlich auch für ihren Jungen, ihren Augenstern. Noah. Was für hübsche Namen sich diese Menschen doch immer aussuchen.«
    »Ich verlange, mit ihr zu sprechen«, sagte ich, oder vielleicht schrie ich es auch.
    »Nun, das ist momentan leider nicht machbar. Sie ist in Abschiebehaft, und Sie sind hier bei uns. Schon in wenigen Stunden wird sie vollkommen freiwillig nach Kampala ausreisen, wo sie ihren Noah in die Arme schließen kann. Was könnte schöner sein?«
    F ür die Moral von der Geschichte war Philip zuständig: »Sie ist ohne Aufhebens gegangen, Salvo«, sagte er und schaute auf mich hinunter. »Von Ihnen erwarten wir das gleiche.« Sein Ton war weich wie Butter, aber mit einem Spritzer amtlicher Würze. »Das Innenministerium wurde darüber in Kenntnis gesetzt – und zwar von unserem Freund Arthur hier, der uns mit seinen Nachforschungen enorm geholfen hat, danke, Arthur –, daß der Mann, der sich Bruno Salvador nennt, kein britischer Staatsangehöriger ist, ob loyal oder illoyal, und auch niemals einer war. Kurz gesagt, er existiert nicht.«
    Er ehrte den Verblichenen durch zwei Schweigesekunden.
    »Sie haben sich die britische Staatsangehörigkeit mit all ihren Rechten und Pflichten arglistig erschlichen. Ihre Geburtsurkunde war eine Lüge. Sie wurden nicht ausgesetzt, und Ihr Vater war auch kein durchreisender Seemann, der ein unerwünschtes Kind loswerden mußte – oder?« Er appellierte an meine Vernunft. »Wir müssen also davon ausgehen, daß der britische Konsul in Kampala sich zum Zeitpunkt Ihrer Geburt von Rom hat um den Finger wickeln lassen. Die Tatsache, daß Sie selbst vom Alter her technisch nicht in der Lage waren, sich an dem Betrug mitschuldig zu machen, zählt nach dem Gesetz leider nicht. Ist das korrekt, Arthur?«
    »Was für ein Gesetz?« kam es lebhaft aus dem Erker. »Es gibt keins. Nicht für ihn.«
    »Die bittere Wahrheit ist die, Salvo. Wie Sie genau wissen – beziehungsweise wissen müßten –, sind Sie ein illegaler Einwanderer, seit Sie als Zehnjähriger in Southampton an Land gegangen sind. Seitdem haben Sie noch nicht einmal einen Asylantrag gestellt. Sie haben sich einfach so benommen, als wären Sie einer von uns.«
    Von Rechts wegen h ätte mich an dieser Stelle meine Wut, die mehr oder minder nach Belieben kam und ging, aus meinem Sitz katapultieren müssen zu einer weiteren Attacke auf seine Gurgel oder auch einen anderen Teil seiner biegsamen, kreuzvernünftigen Anatomie. Aber wenn man, um Haj zu zitieren, verschnürt ist wie ein Postpaket, wenn einem Hände und Füße mit Klebeband umwickelt sind und dar über hinaus an einem Küchenstuhl festgebunden, sind der Körpersprache Grenzen gesetzt, was Philip durchaus zu würdigen wußte, denn warum hätte er sonst ein nonchalantes Lächeln riskiert und mich damit getröstet, daß es noch am Ende des schwärzesten Tunnels ein Licht gab?
    »Der langen Rede kurzer Sinn: Die Kongolesen wären – wie wir aus zuverlässiger Quelle wissen – prinzipiell und natürlich mit genügend Vorlauf zur Abwicklung der verwaltungstechnischen Formalitäten« – duldsames Lächeln – »und mit ein paar vermittelnden Worten von unserem Botschafter in Kinshasa plus einer Geburtsurkunde, die, wollen wir sagen, den historischen Tatsachen eher gerecht wird« – noch duldsameres Lächeln –, »hocherfreut, Sie als ihren Staatsbürger begrüßen zu dürfen. Beziehungsweise Sie wieder zurückzunehmen, da Sie ja im Grunde immer einer von ihnen waren. Aber natürlich nur, wenn Sie das für sinnvoll halten. Es geht hier schließlich um Ihr Leben, nicht um unseres. Wir halten es jedenfalls für extrem sinnvoll,
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