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Geheime Melodie

Geheime Melodie

Titel: Geheime Melodie
Autoren: John le Carré
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aller Zeit vor sich selbst geschützt werde.
    In Verbundenheit,
    R. (Bob) Anderson
    Mein Blick glitt rasch weiter zu dem zweiten Umschlag, mit dem mir Mr. Andersons Begleitbrief hier den Mund w äßrig machte. Er war dick und an Monsieur l’interprète Brian Sinclair in seinem Postfach in Brixton adressiert. Der Absender, in Himmelblau auf die Rückseite geprägt, lautete Le Comptoir Joyeux de Bukavu: ein Wortspiel auf Hajs vollständigen Namen Honoré Amour-Joyeuse, wie ich mir unschwer zusammenreimte. Der Umschlag enthielt keinen durchgängigen Brief, sondern eine Sammlung flüchtiger Notizen, im Verlauf mehrerer Tage und Nächte aufs Pa pier geworfen. Als ich die Augen schlo ß und an den Blättern schnupperte, hätte ich schwören können, daß sie nach dem Parfüm einer Frau dufteten, und J. P. Warner war der gleichen Ansicht. Der Text war mit der Hand auf Französisch geschrieben, mit einer peniblen Akademikerschrift, die ihn auch in der größten Eile nicht im Stich ließ, genausowenig wie sein skatologischer Wortschatz.
    Liebes Zebra,
    die Aufnahmen waren nicht n ötig. Ihr habt mich gelinkt, ich habe sie gelinkt.
    Wer zum Geier ist Hannah?
    Wieso m üllt die Frau mich mit irgendwelchem Medizinerscheiß voll und sagt mir, ich soll meinen Arsch einem Urologen unter die Nase halten? Und wieso sagt sie mir, ich soll mich gegen meinen verehrten Vater Luc durchsetzen, und schickt mir Beweise, damit er mir glaubt?
    Danke, aber es ging auch ohne Beweise. Sobald ich wieder zu Hause war, habe ich Luc klargemacht, da ß er, wenn er nicht in Bälde tot und pleite sein will, als allererstes den Mwangaza absägen muß, zweitens den Mai Mai und den Banyamulenge Bescheid stoßen, daß sie sich zum Affen machen, drittens zum nächstbesten hohen Tier von der UNO laufen und eine Generalbeichte ablegen, und viertens einen längeren Urlaub in Alaska antreten.
    Diese Hannah sagt, Sie stecken da in England ziemlich in der Schei ße, was mich, so wie ich Sie kenne, nicht groß überrascht. Sie betet, daß Sie es eines Tages in den Kongo schaffen. Wenn das klappt, wer weiß, dann würde ich vielleicht als der gute Erzgauner, der ich nun mal bin, einen Lehrstuhl an der Uni in Bukavu stiften, wo momentan noch die Kacke am Dampfen ist. Und es w äre mir scheißegal, ob Sie da Sprachen oder Saufen unterrichten.
    Nur beeilen Sie sich, denn wenn Ihre Hannah nach Kivu zur ückkommt, werden ihr die gesamten himmlischen Heerscharen nicht helfen können, ihre Tugend vor dem bösen Onkel Haj zu retten.
    Hier in Bukavu ist alles wie gehabt. Neun Monate Regen im Jahr, und wenn die Abwasserkan äle verstopfen, wird der Unabhängigkeitsplatz zum Unabhängigkeitssee. Wir haben fast jede Woche Aufstände, Demos und Schießereien zu bieten, auch wenn das Timing zu wünschen übrig läßt. Vor ein paar Wochen hat unsere Fußballmannschaft ein wichtiges Heimspiel verloren, also haben die Zuschauer den Schiedsrichter gelyncht, worauf die Polizei die einzigen sechs Mann erschossen hat, die absolut gar nichts gemacht hatten. Aber von alledem lassen sich die weißen Wanderprediger aus den USA nicht schrecken, diese Halleluja-Billies mit den perfekten Frisuren, die uns sagen, daß wir George Bush lieben sollen und nicht mehr ficken dürfen, weil der liebe Gott das nicht gern sieht.
    Es gibt hier einen alten belgischen Priester, der vor ein paar Jahren eine Kugel in den Arsch gekriegt hat. Ab und zu kommt er in einen von meinen Nachtclubs, schnorrt einen Schnaps und schw ärmt von den guten alten Zeiten. Wenn er Ihren Vater erwähnt, schmunzelt er. Und wenn ich frage, warum er schmunzelt, schmunzelt er noch mehr. Scheint so, als wäre Ihr Vater der Stecher der Mission gewesen.
    Ich wohne im Stadtteil Muhumba, in einem Palast am See, der fr üher einem belgischen Kolonialistenschwein gehört hat, aber ein Schwein durch und durch war er offenbar nicht, denn er hat einen Garten Eden angelegt, der bis zum Seeufer hinunterreicht und in dem alles an Blumen wächst, wovon Sie jemals gehört haben, wenn nicht noch mehr.
    Kerzenb äume, Eisenholzbäume, Aloen, Bougainvilleen, Hibiskus, Jakaranda, Agapanthus und Pfeilwurz, nur meine Orchideen sind ein Flop. Wir haben Spinnen, die so groß sind wie Mäuse, und Mausvögel mit buschigem Schopf und langem Schwanz, nur für den Fall, daß Sie das vergessen haben. Unsere Webervögel haben eine hochprofessionelle Anbaggermethode. Das Männchen webt ein Nest, dann bequatscht es das Weibchen, bis es mit reinkommt. Wenn’s
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