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Gefühltes Wissen

Gefühltes Wissen

Titel: Gefühltes Wissen
Autoren: Horst Evers
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Nach jedem Ballwechsel fuhr man mit seinem weißen Stab wieder herunter, um den ankommenden Ball dann, in der Aufwärtsbewegung, möglichst weit oben mit dem Stab zu treffen, dann bekam er fast so etwas wie Schnitt, einen gewissen Drall. Stupide, aber fesselnd, wie so manches im Leben.
    Jens Kohlmeier hatte das Spiel, und jeden Tag nach der Schule haben wir stundenlang davor gesessen. Ping-Ping, Ping-Ping…
    Ich dachte immer, das hat mir nicht geschadet, wieso auch. Bis ich mich vor einiger Zeit fragte, warum ich eigentlich später diese Punkphase hatte, mit ständig total Pogotanzen und Köpfe aneinanderschlagen.
    Mein nächstes Spiel war dann Tetris, wo man so runterfallende Steinformen drehen musste, bis sie genau in Zwischenräume passen. Das berühmteste Computer- und Gameboyspiel überhaupt. Kurz drauf tauchten auf einmal ständig Leute auf, die Steine von Autobahnbrücken auf Autos geworfen haben. Zufall? Auch ich selbst stand zu der Zeit oft auf Autobahnbrücken und habe überlegt, wie müsste ein Stein jetzt aussehen, damit er direkt zwischen die Autos passt…
    Oder Pacman, wo man sich einfach durch irgendwelche Labyrinthe frisst. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass mit meiner wesentlichen Pacman-Phase auch eine größere Gewichtszunahme einherging.
    Später kamen dann komplexere Spiele, wo man ganze Zivilisationen aufbauen musste. Diese Spiele drangen noch massiver in mein tägliches Leben ein. So konnte es passieren, dass ich, nachdem ich wieder eine ganze Nacht durchgearbeitet hatte, am Frühstückstisch wegnickte, um dann plötzlich aufzuschrecken und zu schreien: «Über die Berge, ich muss Carthago über die Berge angreifen!» In solchen Situationen ist es gut, wenn man kompetente Hilfe von außen bekommt. Kompetente Hilfe von ihr, die dann einfach wortlos vom Frühstückstisch aufsteht, zum Computer geht, das Spiel Civilization löscht und sich souverän lächelnd wieder setzt: «Carthago ist vernichtet. Ich hab das für dich erledigt.»
    Eine große Gefahr von Computerspielen zeigt sich bereits in dem, was sie einem über die eigene Psyche verraten. Das können allerdings auch Brettspiele. Aus meiner Zeit in der kirchlichen Friedensbewegung sind mir vor allem noch die erbarmungslosen, blutigen nächtlichen Risiko-Schlachten mit anderen friedensbewegten Freunden in Erinnerung. Doch nicht nur Kriegs- und Eroberungsspiele verhelfen einem zur Selbsterkenntnis. Nehmen wir zum Beispiel mal die Fußballmanagerspiele. Gedacht sind sie ja wohl, damit man Trainer seines Lieblingsvereins wird und den dann zu ungeheuren Erfolgen führt. Ich hingegen habe großen Spaß daran, mir missliebige Vereine zu suchen und diese dann nachhaltig zu ruinieren. Als ich kürzlich in der Rolle von Uli Hoeneß alle Leistungsträger des FC Bayern München gefeuert hatte und stattdessen die schlimmsten Blindgänger der Liga für horrende Ablösesummen in den Verein geholt hatte, worauf wir prompt abstiegen, saß ich fast eine halbe Stunde kichernd vorm Computer. Manchmal ist es auch gar nicht so schlimm, wenn man bei diesen Spielen zumindest kurzzeitig nicht mehr zwischen virtueller und realer Welt unterscheiden kann.

Die Zeit heilt alle Wunden
    Im Warteraum der Notaufnahme des Krankenhauses von Pforzheim in Baden-Württemberg gibt es einen Kaffeeautomaten. Dieser Kaffeeautomat ist die einzige Attraktion dieses Warteraumes der Notaufnahme des Krankenhauses in Pforzheim in Baden-Württemberg.
    Werfe 80 Cent in den Automaten und drücke aus der reichhaltigen Auswahl den Knopf für Kaffee weiß. Der Automat ist sofort in heller Aufregung:
    «Alarm, Alarm, ein Auftrag, Alarm, Alarm…»
    Er zählt das Geld nach.
    «Mämämämämä… 80 Cent, jaja, stimmt genau, ganz genau, muss ich los, muss ich los, also los…»
    Jetzt kommt der Höhepunkt, aus den Untiefen seines voluminösen Körpers wird ein Becher hochgewürgt… mmh, mmh, mmh - flak.
    Der Becher verkantet, hängt quasi waagerecht in der Auffangaufrichtung. Aber zu spät, der Automat ist nicht mehr zu bremsen, kann seine Flüssigkeit nicht mehr halten und entlässt sie freudig erleichtert an die Becheraußenwand.
    - Aaaaaaaaaaahhh…
    Versuche, zu retten, was zu retten ist, den Becher mit spitzen Fingern in die Senkrechte zu stupsen, ohne mir zu sehr die Hände zu verbrühen.
    Gelingt nur teilweise. Eigentlich gar nicht.
    Schaue anklagend zum Kaffeeautomaten. Der aber tut, als ob nix wäre.
    Denke: Guck, und mit fast genau dieser überlegenen Technik wollten die
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