Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefühltes Wissen

Gefühltes Wissen

Titel: Gefühltes Wissen
Autoren: Horst Evers
Vom Netzwerk:
Moment?
    Der muss sich doch verarscht Vorkommen. Aber so richtig.
    Ich bin fest davon überzeugt, wenn es eines Tages zur Rebellion der Maschinen kommt, dann wird die nicht angeführt von irgendwelchen High-Tech-Waffensystemen mit ihren durchgeknallten Weltallmachtsphantasien. Nein, es wird die Kommunikationselektronik sein, die rebelliert. Weil sie sich diesen ganzen Scheiß einfach nicht mehr anhören wollte.
    Dieses ganze Zeugs, wie: «Ich bin gleich da, du müsstest mich schon sehen können!», oder: «Hier in Friedrichshain regnet es den ganzen Tag, wie ist das Wetter bei euch in Kreuzberg?» Oder auch: «Oh, dich wollt ich ja gar nicht anrufen, hab ich wohl aus Versehen die falsche Nummer gewählt, na ja, ich ruf dich später nochmal an.»
    Manchmal sehne ich mich zurück nach den alten, sehr archaischen Formen der innerstädtischen Kommunikation.
    Zettel im Hausflur zum Beispiel: Die Heizung wird gewartet. Komme Dienstag, den 22.10., zwischen 9 und 18 Uhr. Stellen Sie den Zugang zur Wohnung sicher.
    Vor so einem Zettel kann man sich begegnen und meckern: «Na toll, zwischen 9 und 18 Uhr. Warum nicht gleich: Komme irgendwann zwischen Oktober und März.» Solche Momente des gemeinschaftsstiftenden Meckerns sind selten und kostbar.
    Oder der Klassiker: «Ich feiere heute am Freitag meinen 30sten Geburtstag. Ich möchte diesen Tag in aller Stille verbringen. Machen Sie also bitte keinen Lärm!»
    Solche Zettel freilich kollidierten dann manchmal mit einer anderen wunderbaren Form der archaischen innerstädtischen Kommunikation: dem Durch-den-Hof-Schreien. Wer macht das heute schon noch?
    - Ey, kommt hoch, Kinder, es ist 18.00 Uhr.
    18.00 Uhr. Das war eine echte und interessante Information für die ganze Hausgemeinschaft. Ohne großen Aufwand und eigene Uhr wusste man da doch schon mal, wie spät das ist.
    Ich hab mir dann manchmal den Spaß gemacht, einfach um vier schon mal durch den Hof zu rufen:
    - Es ist 18.00 Uhr.
    War immer ganz hübsch, zu beobachten, wie dann ringsum in einigen Wohnungen die totale Hektik ausbrach. Heute werden kaum mehr Sachen durch den Hof gerufen. Nicht mal Uhrzeiten. Die spielenden Kinder im Hof werden meist einfach per Handy hochgerufen.
    Und der arme kleine Satellit im dunklen Weltall muss das dann alles übertragen.
    Und wie wird das erst, wenn auch noch das gesamte Internet nur noch über Satellit abgewickelt wird. All das krude Zeug, das er dann übertragen muss.
    Manchmal frage ich mich, wie unsere Welt heute wohl aussähe, wenn das Internet nicht erfunden worden wäre oder sich aus irgendwelchen Gründen nicht durchgesetzt hätte.
    Ob dann mittlerweile all diese halbseidenen Anbieter halblegaler Waren aus dem Netz, ob die dann wohl von Haus zu Haus als Handelsvertreter durch die Lande ziehen würden? Also, es klingelt, und vor der Tür steht der Viagra-Mann oder der Penisverlängerer oder der millionenschwere nigerianische Exkonsul.
    So gesehen ist es dann doch wieder gar nicht so schlecht, dass es das Internet gibt. Wenn man sich vorstellt, diese Leute würden sonst täglich mehrfach an der Haustür klingeln. Und wie könnte dann ein Spamfilter aussehen? Wie groß und breitschultrig müsste der sein? Und wer installiert einem den? Die ganze Welt, unser ganzes Leben sähe völlig anders aus. Verglichen damit waren die Veränderungen durchs Internet ja doch eher ein Klacks.
    Da ist es dann doch besser, wenn der arme kleine Satellit im dunklen Weltall mal ein paar sinnlose Gespräche vermitteln muss. Letztendlich prallt das an dem doch auch nur alles irgendwie ab.

Über die Gefahren moderner Technologien: Computerspiele
    Immer mal wieder wird, aus zumeist tragischem Anlass, über die Gefahren von Computerspielen diskutiert. Der Einfluss dieser Spiele auf die Psyche und den Realitätssinn der Spieler ist es dann, der von den hoch qualifizierten Experten analysiert wird. Und praktisch immer kommen zumindest die richtigen Experten, also erfahrene Spieler und Hersteller, zu dem Ergebnis: Die Spiele selbst sind nicht wirklich gefährlich. Es sind nur ein paar verwirrte Spinner, die irgendwann nicht mehr zwischen Spiel und Realität unterscheiden können. Bekloppte halt.
    Ich bin mir da nicht sicher.
    Eins meiner ersten Computerspiele bzw. das erste, was es überhaupt gab, war damals noch ein Videospiel und hieß Teletennis. Zwei weiße Stäbe auf jeder Seite des Bildschirms und ein weißer Punkt, der immer von einer Seite zur anderen geschlagen werden musste. Ping-Ping. Ping-Ping.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher