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Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition)

Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition)

Titel: Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition)
Autoren: Harald Martenstein
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An einem dieser Abende traf er zufällig Liza, eigentlich hieß sie ja Mechthild, die frühere Sängerin des Orgasmic Orchestra.
    Liza war im Begriff, nach Berlin umzuziehen. »Mit den Birds ist nicht mehr viel los, seit du weg bist«, sagte Liza. Sie suchte was Neues. Am Ende des Abends begleitete er sie zu der WG, nur zwei Straßen weiter, in der sie vorübergehend untergekommen war.
    Mit Liza hatte Sam einmal, obwohl es die Regel gibt, dass man innerhalb einer Band besser die Finger voneinander lässt, eine sehr kurze Affäre gehabt. Vierzehn heftige Tage, an die sich beide gerne erinnerten und an die sie jetzt wieder anknüpften.
    Sam hatte das Gefühl, dass die Geschichte mit Liza seiner Ehe guttat. In den folgenden Monaten war er ruhiger, zufriedener, noch liebevoller zu N., er dachte nicht mehr so viel über die Zukunft nach und über Verpflichtungen, denen er sich nicht gewachsen fühlte. Im direkten Vergleich schnitt N. um so vieles besser ab als Liza, mit ihrem ständigen Gekicher, ihren Postern und ihren Stofftieren, dass er, wenn er wieder einmal an seiner Ehe zu zweifeln begann, sich nur eine Ehe mit Liza ausmalen musste, und sofort breitete sich tiefe Zufriedenheit in seinem Inneren aus.
    Liza erzählte er, dass er sich von N. getrennt hätte. Das war so eine spontane Idee am ersten Abend gewesen, als er Liza unbedingt wollte. Er hätte ihr in diesem Augenblick Gott weiß was erzählt, um seine Chancen zu verbessern.
    Die Trennung war wirklich eine große Dummheit, denn mit Liza hätte es wahrscheinlich sowieso geklappt, und wegen dieser Geschichte musste Sam sich nun hundert andere Geschichten ausdenken. Er sagte, dass er bei einem Freund wohne, Elijah, einem anderen Musiker, der über eine dieser winzigen Berliner Kammern verfügte, in der er eigentlich nur seinen Wäschetrockner abstellte. Dort legte Sam eine Matratze ab. Das war jetzt also, in Lizas Augen, sein Zimmer. Es war so eng, so feucht und so dunkel, dass sie sich immer bei ihr trafen. Wenn sie ihn bei Elijah anrief, war er nie zu Hause, sondern immer unterwegs, was sie, wegen dieses hässlichen, im Grunde unzumutbaren Zimmers, nicht misstrauisch machte.
    Elijah rief Sam zu Hause an, wenn Liza nach ihm suchte. Sam meldete sich dann meistens ziemlich schnell bei ihr. Zum Glück konnte sie nicht sehen, von wo aus er anrief, meistens war es die Telefonzelle bei ihm um die Ecke.
    Liza fing bald an, nach einem besseren Zimmer für ihn zu suchen, oder sogar für sie beide. Sie fand auch ziemlich schnell etwas. Sam sagte, dass er sich erst einmal eine sichere finanzielle Grundlage schaffen wollte. Es hat doch absolut keinen Zweck, in ein schönes, teures Zimmer einzuziehen, wenn man nach ein paar Monaten wieder rausfliegt, weil man die Miete nicht zahlen kann. Liza fand es ungewöhnlich, aber auch irgendwie klasse, dass Sam so vorausschauend und vernünftig dachte. Er arbeitete, nach Lizas Version, als Aushilfswachmann bei der Firma Schering, was glaubwürdig klang, weil er zwei Jahre bei der Army gewesen war. Der Job war allerdings, wie er Liza erzählte, mies bezahlt. Er musste sich deshalb oft von Liza etwas leihen. Das Zimmer ließ Elija sich bezahlen, das Ausgehen mit Liza kostete, das gab sein Etat nicht her, und von N. konnte er sich das Geld für das Zimmer unmöglich leihen, auch wenn sie es ihm vermutlich gegeben hätte. N. fragte eigentlich nicht groß, wenn er sich etwas lieh.
    Die Scheringleute meldeten sich oft kurzfristig, auch abends, wenn einer der anderen Wachleute sich krankmeldete. Die machten in der Fabrik geheime Experimente, die forschten an Medikamenten, deshalb durfte man auf keinen Fall Freunde in die Fabrik mitbringen. Es war sogar geheim, in welcher Straße sich das Labor befand.
    Eigentlich funktionierte das alles ganz gut. Sam musste nur aufpassen, dass er nichts durcheinanderbrachte, es war ungefähr so, als ob man mit zwei Schlagstöcken zwei verschiedene Rhythmen trommelt. Liza und er trafen sich ein- oder zweimal in der Woche, das reichte ihr völlig. Sie war viel auf Achse und kannte tausend Leute.
    Sams größte Sorge bestand darin, dass Liza bei einem Konzert auftauchen könnte, bei dem auch N. anwesend war. N. war inzwischen häuslicher als früher und arbeitete gern abends; sie fand die neue Band nicht besonders gut und kam nicht oft zu Konzerten, und er hatte sowieso im Moment nur zwei oder drei Gigs im Monat. Statistisch gesehen war die Wahrscheinlichkeit einer Überschneidung also erst mal gering. Wenn N.
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