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Gefeuert

Titel: Gefeuert
Autoren: Julia Berger
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Rückkehrklausel in Ihren Arbeitsvertrag aufnehmen lassen?«, fragt er mich. Er meint damit eine Vereinbarung, mit der ich mich gegen ein Scheitern des Projekts hätte absichern können. Miteiner Rückkehrklausel hätte ich mir für den Gau, der jetzt eingetreten ist, die Weiterbeschäftigung in einem anderen Tochterunternehmen zusichern lassen können. »Hätte« und »können« muss ich leider schreiben, da ich beim Wechsel vor wenigen Jahren in die Tochterfirma, die der Konzern nun schließt, daran nicht gedacht hatte.
    »Es ist stets besser, bei solchen Dingen den Betriebsrat einzubeziehen. Aber im Nachhinein ist man immer schlauer«, sagt er noch.
    Ich kann wenig darauf erwidern, denn er hat ja recht. Ich bin die beste Werbeveranstaltung für ihn und kann an dieser Stelle nur jedem empfehlen, keinen Arbeitsvertrag zu unterschreiben, ohne vorher fachkundigen Rat einzuholen.
    Jetzt soll ich ihm eine Mail schicken, warum mich die Kündigung hart trifft. Er will soziale Kriterien hören: dass ich Kinder habe, Haupternährerin der Familie bin, »solche Sachen«, sagt er. Diese Informationen braucht er, um einen Widerspruch gegen die Kündigung formulieren zu können. So wie ich ihn verstehe, ist das in meinem Fall eine reine Formsache. Ich erledige meine Aufgabe trotzdem brav, aber widerwillig – er würde das doch von mir nicht verlangen, wenn es gar keinen Sinn machen würde, oder? Aber es ist mir sehr unangenehm, meine persönlichen Verhältnisse auf diese Weise und in dieser Situation zu offenbaren. Ich will nicht auf die Tränendrüse drücken, ich will kein Mitleid. Ich will meinen Job!

    Der Aussichtslosigkeit der Lage entsprechend niedergeschlagen sind alle Kollegen, als wir uns am nächsten Tag zum »Abschied« treffen. Die Geschäftsführung zahlt uns eine Henkersmahlzeit.
    Es ist ein wunderbarer Sommerabend. Während ich unter sattgrünen Bäumen zu unserem Treffpunkt radle, dem schönsten Gartenlokal der Stadt, tue ich genau das, was man an so einem Abend tun sollte: draußen sein, nette Leute treffen, den Sommer genießen. Es gelingt mir tatsächlich, den unangenehmen Anlass meiner Verabredung weitgehend zu verdrängen. Esist schön, mit dem Fahrrad durch diesen lauen Abend zu fahren. »Ach«, sage ich mir und atme den Duft des Sommers ein. »Das wird schon alles. Du hast doch Zeit. Wer weiß, was für einen tollen Job du findest.« Auf einmal ist mein Optimismus wieder da.
    Doch als ich in den Innenhof des Lokals trete, merke ich sofort, dass das heute nichts wird mit einem netten Sommerabend. Meine gute Laune bekommt einen empfindlichen Stoß, bald wird sie in sich zusammenfallen wie ein windschiefes Kartenhaus. Die Kollegen sind ganz offensichtlich nicht solche Verdrängungsmeister und Zwangsoptimisten wie ich. Sie sitzen mit hängenden Köpfen um einen großen runden Tisch, genau neben der Cocktailbar mit den Sambarhythmen. Es wirkt wie eine Insel des Frusts inmitten der lustigen Gesellschaft der anderen Gäste.
    »Hallo! Ich freue mich, euch zu sehen, auch wenn ich mir einen anderen Anlass gewünscht hätte«, begrüße ich die Runde und ernte mattes Lächeln. Die Stimmung bleibt die nächsten Stunden gedrückt. Kurz funken Gesprächsversuche auf, dann stiert wieder jeder vor sich hin. Ab und an fange ich einen Blick auf, und man lächelt sich traurig und wissend an. Es ist nicht auszuhalten.
    »Und was hast du jetzt vor?«, fragen wir uns alle gegenseitig, obwohl es für konkrete Pläne natürlich viel zu früh ist. Einem Gekündigten diese Frage zu stellen, ist eigentlich ein No-Go, weil sie ihn in die Rechtfertigungsecke drängt. Sie ist höchstens unter Schicksalsgefährten erlaubt. Dann ermöglicht sie, sich gegenseitig ein bisschen vorzujammern und aufzubauen. »Du musst dir doch keine Sorgen machen!«, sagt einer dem anderen reihum. Nur über eine Kollegin ärgere ich mich. Sie ist die Einzige im Team, die keine Kündigung erhalten hat, weil sie uns von einer anderen Tochterfirma nur »ausgeliehen« wurde. Sie hat sehr konkrete Vorstellungen, was aus mir nun werden soll und was ich tun soll, und hört gar nicht auf, mir ihre Version meiner Zukunft zu beschreiben. »Ja, ja«, sage ich und wechsle schnell den Platz. (Einige Wochen später werde ich erfahren,dass ihr schließlich auch gekündigt wurde. Da wird sie aus allen Wolken gefallen sein. Ich könnte Häme fühlen und ihr nun Vorschläge für ihre Zukunft unterbreiten. Aber es macht mich nur traurig und wütend. Sie jetzt auch noch.
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