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Gefeuert

Titel: Gefeuert
Autoren: Julia Berger
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eine Kündigung übermitteln muss. Der Mann hat Routine und wahrscheinlich mehrere Seminare zum Thema »Richtig kündigen« mit Auszeichnung absolviert.
    Wortreich und flüssig erklärt er mir die Situation, redet über den Höhepunkt »Wir werden auch Ihnen kündigen« eilig hinweg und rechnet mir vor, zu welchem Termin das geschehen wird: Frühestens in sechs, spätestens in sieben Monaten bin ich draußen.
    »Da Sie in Elternzeit sind, haben Sie einen besonderen Kündigungsschutz.Wir müssen erst beim Gewerbeaufsichtsamt Ihre Kündigung beantragen. Aber das haben wir bereits gemacht.«
    Hier glaube ich ein Bedauern durchzuhören. Allerdings unterstelle ich ihm, dass sein Bedauern nicht mich betrifft, sondern den Umstand, dass ein Behördenumweg nötig ist.
    »Ich weiß nicht, wie schnell die sind«, meint Herr Roth.
    Ich bin sprachlos, was nicht weiter auffällt, da ich sowieso nicht zu Wort komme. Ich habe den Eindruck, neben mir zu stehen und nicht wirklich teilzunehmen an dem, was geschieht. Es ist ein völlig surrealer Moment. Ich fühle mich, als würde ich die ganze Szene beobachten. Endlich wache ich etwas aus der Apathie auf und werfe ein, wie es mit einem Wechsel auf eine andere Position innerhalb des Konzerns aussähe?
    »Dann haben wir natürlich gar kein Problem, die Kündigung wieder zurückzunehmen. Aber die Chancen stehen nicht gut. Die Situation im Unternehmen ist schwierig. Es gibt keine Neueinstellungen.«
    Da kommt Wut in mir auf, meine Wangen werden ganz heiß. »Hey, willst du mir damit sagen, dass ich richtig draußen bin? Erst vor zwei Jahren war ich doch bei dir, um den Vertrag für den Positionswechsel zu unterschreiben. Du hast mir gratuliert, und jetzt kündigst du mir? Und überhaupt: Was soll der Quatsch von wegen Neueinstellungen. Ich bin doch nicht neu hier!«
    Das denke ich nur. Schließlich duzt man seinen Personalreferenten nicht (zumindest nicht in unserem Unternehmen), außerdem bin ich für so einen impulsiven Angriff zu höflich und dann sitzen ja auch noch zwei Kinder hinter meinem Rücken. Johannes und ich haben gestern vereinbart, unserer Tochter erst einmal nichts vom Ende des Projekts zu sagen, damit sie sich keine Sorgen macht.
    Ich habe keine Übung im Gekündigtwerden. Es ist mein erstes Mal. Ich habe keine Ahnung, wie man sich in solch einer Situation richtig verhält. Ich halte mich an die gängigen Höflichkeitsregeln, was dazu führt, dass ich es fertigbringe, micham Ende für das Gespräch zu bedanken. Für Herrn Roth bin ich definitiv ein angenehmer Kündigungspartner, was ich ihm in diesem Moment überhaupt nicht gönne. Egal, ich bin froh, endlich den Hörer auflegen zu können.
    Ich bin erschüttert. Ich fühle mich klein und ausgeliefert und machtlos. Es ist, als ob etwas Riesiges über mir zusammenbricht. Und ich stehe schutzlos da, ohne die Möglichkeit zu flüchten oder mich zu verstecken. Auch in mir zerbröselt etwas. Mein Vertrauen in diesen Arbeitgeber, in die gemeinsame Zeit. Mein Vertrauen in mich, dass ich auch schwierige Phasen in der Arbeit überstehe. Meine Gewissheit, dass alles gut wird, dass schon nichts passiert. Ich stöhne unwillkürlich auf.
    »Wer war das, Mama?«, höre ich meine Tochter fragen.
    »Ach, nur jemand von der Arbeit«, nuschele ich, nehme meinen halb vollen Teller und leere die Reste des Mittagessens in den Mülleimer.

    Nachdem Ella und ihre Freundin auf den Spielplatz gegangen sind, rufe ich noch am selben Nachmittag bei meinem Berufsverband an. Ich muss etwas tun, sonst werde ich verrückt. Ich kann Herrn Roths Anruf doch nicht einfach so stehen lassen. Immer wieder sage ich mir: »Bleib ganz ruhig. Mach jetzt nichts Übereiltes. Geh Schritt für Schritt vor. Informier dich erst einmal.« Ich lasse mich sofort zu den Anwälten durchstellen.
    »Guten Tag, ich habe erfahren, dass mir gekündigt wird, weil das Projekt, für das ich arbeite, eingestellt wird. Ich bin aber in Elternzeit. Wie soll ich mich jetzt verhalten?« Ich bin aufgewühlt, als ich diesen Eröffnungssatz formuliere. Aber ich zwinge mich zur Ruhe – und ich bemühe mich, meine Frage möglichst offen zu stellen, um der Gegenseite Gelegenheit zu geben, ausführlich zu antworten. Doch statt einer Antwort kommt leider nur eine Frage zurück: »Haben Sie die Kündigung schon?«
    »Nein, noch nicht.«
    »Wir brauchen die Kündigung. Wenn Sie die haben, können Sie sie uns faxen.«
    Ich bin verblüfft. Ich bin das erste Mal in meinem Leben von einer Kündigung
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