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Gefangener der Sinne - Singh, N: Gefangener der Sinne

Gefangener der Sinne - Singh, N: Gefangener der Sinne

Titel: Gefangener der Sinne - Singh, N: Gefangener der Sinne
Autoren: Nalini Singh
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das Netzwerk folgte weder mathematischen noch physikalischen Regeln. Niemand hatte je herausgefunden, nach welchen Regeln es tatsächlich funktionierte, aber eins war klar – Ashaya durfte nicht ins Medialnet eintreten, ohne Maßnahmen zu ergreifen, um ihr „Kennen“ von anderen zu verschleiern. Das war möglich, sie wusste sogar ein wenig, wie es ging – Amara hatte es ihr beigebracht.
    Sie verschob ihre Schilde, setzte eine Sicherung vor die nächste. Dann öffnete sie ihr geistiges Auge erneut und sah alles wie durch einen Schleier. Ihre Schilde waren so fest, dass sie sich nicht aktiv im Medialnet bewegen konnte, aber das kümmerte sie nicht. Sie war ein unsichtbarer Punkt unter Millionen anderer Punkte. Wenn sie niemanden „kannte“, dann erkannte sie selbst auch niemand.
    Sie nutzte die Gelegenheit und öffnete ihre Schilde ein wenig, um dem Klatsch im Netz zuzuhören. Tausende von Informationen strömten auf sie ein, aber es war nichts Wichtiges darunter. Daher zwang sie sich, in das Schneckenhaus ihres Bewusstseins zurückzukehren, in das Gefängnis ihres bewegungslosen Körpers, und fragte sich, wie schmerzhaft es wäre, das Klebeband von den Augen abzuziehen. Schmerz war relativ. Das hatte ihr der Verlust Keenans noch deutlicher gezeigt als die Grausamkeit Amaras.
    Klebeband.
    Sie konnte jetzt spüren, wie es auf ihren Lidern klebte. Stück für Stück ging sie ihren Körper durch. Beim ersten Versuch wachten ihre Schenkel langsam auf, aber ihre Füße und ihr restlicher Körper waren immer noch taub. Beim zweiten Mal krampften sich ihre Beine schmerzhaft zusammen, und ihr Magen fühlte sich an, als wolle er sich gleich heben.
    Beim dritten Versuch spürte sie überall stechende Schmerzen. Die Schmerzen rissen ihr die Eingeweide heraus und die Haut vom Körper. Doch sie zwang sich, vollkommen regungslos zu bleiben. Sie hatte keine soldatische Ausbildung, hatte nicht unter Qualen gelernt, Schmerzen zu ertragen. Der einzige Grund, warum sie wie festgefroren auf dem Tisch lag, war das Bedürfnis, ihren Sohn wiederzusehen.
    Denn wenn sie am Leben war, gab es auch eine Chance, dass Keenan lebendig hinausgelangt war.
    Etwas strich an ihrem Geist entlang.
    Amara.
    Ashaya zog sich tiefer in Silentium zurück, zwang ihren Verstand hinter eine weitere Mauer aus Eis, obwohl ihr Körper sie für ihren Tod bestrafte. Die Schnelligkeit, mit der Amara sie gefunden hatte, überraschte sie nicht, doch ihre Verbindung war so schwach wie noch nie. Ashaya wollte diesen Zustand beibehalten.
    Sie hatte keine Ahnung, wie lange die Schmerzen anhielten.
    Als sie vorbei waren, lag sie stocksteif da und ließ die Welt wieder in ihre Sinne ein. Sie lag auf einem kalten Stahltisch. Also nicht in einem Untersuchungsraum oder einem Krankenzimmer. Es musste irgendeine Leichenhalle sein. Sie spürte Luft an ihrem Körper.
    Sie war nackt.
    In der Tiefe von Silentium machte ihr das nichts aus. Sie roch Desinfektionsmittel, nahm die absolute Stille wahr. Doch obwohl es sehr verlockend gewesen wäre, bewegte sie sich nicht. Es gab bestimmt Kameras. Man hätte ihren Körper niemals unbewacht gelassen. Man hatte sie bestimmt schon durchleuchtet. Da man sie nicht aufgeschnitten hatte, musste entweder der Schutzüberzug des Chips funktioniert haben oder irgendetwas hatte die normale Obduktion verzögert.
    Ihr Verstand schnellte zu einer Information aus dem Medialnet zurück.
    Eine schwere Grippe hatte sich in mehreren Abschnitten ausgebreitet und Angst vor einer Pandemie ausgelöst.
    Wenn sie nicht zufällig einen besonders günstigen Zeitpunkt erwischt hatte – was unwahrscheinlich war –, musste Zie Zen ihre Nachricht erhalten und gehandelt haben. Blieben also die Kameras – sie musste das Risiko eingehen, vielleicht wurde die Leichenhalle nicht überwacht. Warum sollte sie auch? Doch gerade in dem Moment, als sie sich bewegen wollte, hörte sie Schritte. Eine Tür öffnete sich lautlos, sie spürte nur den Luftzug. Jemand trat ein, sie hörte Stiefel auf dem Kunststoffbeton. Jemand stand neben ihr. Sie bewegte sich nicht … dann fiel ihr auf, dass sie atmete.
    „Ms. Aleine, sind Sie bei Bewusstsein? Ich weiß, dass Sie nicht tot sind.“
    Es war also alles umsonst gewesen. Um sich nichts anmerken zu lassen, hob sie die Hand und riss sich das Klebeband von den Augen, blinzelte ins helle Licht. Eine Frau mit rotbraunen Haaren packte gerade ein paar Sachen aus einem Rucksack auf den Tisch: Kleider, Schuhe und Socken.
    Ashaya setzte sich
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