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Gefangen in der Schreckenskammer

Gefangen in der Schreckenskammer

Titel: Gefangen in der Schreckenskammer
Autoren: Stefan Wolf
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wäre die Sache gelaufen. Herr Tickel! Sie kennen doch fast jeden in
der Stadt, der seelische Macken mit sich rumschleppt. Auf wen — besser noch:
auf welche beiden trifft Ihre Beschreibung zu?“
    Tickel seufzte, setzte sein Glas ab,
strich sich über den Kurzhaarschnitt und schickte einen Verzweiflungsblick zur
hohen Zimmerdecke. Sie lief spitzgiebelig zu und war holzgetäfelt. Sehr schick.
    „Tim, wie stellst du dir das vor? Die
Beschreibung paßt auf zu viele. Mindestens hundert Personen in meiner Kartei
erfüllen die Voraussetzung. Trotzdem — nie würde ich denen ein Verbrechen
zutrauen. Und benennen darf ich sie schon gar nicht. Mich bindet die
Schweigepflicht. Nur weil ich von jemandem weiß, daß er aus Geltungssucht
seinen Mitmenschen Schrecken einjagen möchte — deshalb kann ich ihn der Polizei
nicht als möglichen Täter vorstellen.“
    „Hm.“ Einerseits stimmte Tim zu,
andererseits hätte er ihm gern die hundert Namen aus der Nase gezogen.
    „Wenn ich an unsere Mitschüler in der
Penne denke“, sagte er, „fallen mir mehr als hundert ein, auf die Ihre
Beschreibung paßt. Wir werden die krassesten Typen im Auge behalten. Vielen
Dank jedenfalls für Ihre Mitarbeit.“
    Er stand auf.
    Karl hatte Mühe, sich aus dem Sessel zu
befreien.
    Tickel lächelte jetzt strahlender als
er dies vorher getan hatte. War er doch der Meinung, er habe wieder mal seine
Klasse bewiesen.
    In diesem Moment schrillte das Telefon.

6. Ein seltsamer Einbruch
     
    Der Apparat stand neben einer
Tiffany-Tischlampe ( Tiffany = amerikanischer Innenarchitekt und
Kunsthandwerker 1848-1933).
    Tickel nahm den Hörer ab und meldete
sich.
    Tim und Karl hatten sich noch nicht
verabschiedet. Wartend standen sie auf dem Orientteppich. Er war sicherlich
kostbar.
    Tim entsann sich. Tickel hatte, als sie
hereinkamen, gleich ihre Schuhe beäugt.
    Die, dachte Tim, hätten wir ausziehen
müssen — wären sie dreckig gewesen.
    „Was?“ schrie Tickel in den Hörer. „Was
sagen Sie da, Argus?“
    Die Jungs tauschten einen Blick.
Tickels Lächeln war erloschen. Er erbleichte zwar nicht, aber der Schreck
weitete seine Schlitzaugen.
    „Um Gottes willen, Argus!“ flüsterte
er. „Warten Sie. Ich komme. Nein, lassen Sie! Ich verständige die Polizei.“
    Er legte auf. Für einen Moment
erstarrte er in seiner Schreckenspose.
    „Einbrecher“, murmelte er dann. „Sie
waren in meiner Praxis. Haben alles durchwühlt. Der Wachmann Argus hat’s eben
entdeckt. Er macht nachts die Runde durch das Bürohaus, wo ich meine Praxis
habe. Ich muß los.“
    „Erst die Polizei benachrichtigen“,
sagte Tim. „Lohnt es sich denn, in Ihre Praxis einzubrechen?“
    „Wie?“ Tickels Blick irrte umher.
    „Wer einbricht, stiehlt. Kann man in
Ihrer Praxis was stehlen? Heben Sie dort Geld auf oder Wertgegenstände?“
    „Du hast recht. Der Einbruch ist
idiotisch. Außer den Möbeln gibt es dort nichts... o weh!“
    Er stockte. Seine Zähne gruben sich in
die Unterlippe.
    Jetzt ist ihm was eingefallen, dachte
Tim.
    „Die Brillantkette!“ Tickel stöhnte.
„Hoffentlich haben sie die nicht gefunden. Verdammt! Warum habe ich sie
dortgelassen?! Sie lag im Schreibtischfach. 12 000 Mark wären futsch, wenn...
Ich wollte die Kette verschenken.“
    „Da besteht wenig Hoffnung“, meinte
Karl. „Im Schreibtisch sehen Einbrecher immer zuerst nach.“
    Tickel gab sich einen Ruck und eilte
zur Tür.
    Wieder vergaß er die Polizei.
    „Wenn Sie gestatten“, sagte Tim, „rufe
ich Kommissar Glockner an. Er wird jemanden zum Tatort schicken. Wie ist die
Adresse?“
    „Adler-Straße elf, dritter Stock. Sag
ihm, ich komme sofort. Ziehe mich nur rasch an.“
    Offenbar hielt er es für unschicklich,
in Jeans und Pullover am Tatort aufzukreuzen. Er rannte ins Schlafzimmer. Tim
blinzelte seinem Freund zu und griff zum Telefon. Nichts hatte sich zum Guten
gewendet. Das merkte er an der Art, wie Gabys Vater sich meldete.
Selbstverständlich hatte er seine Stimme in der Gewalt. Aber Tim kannte ihn zu
gut, um den Unterschied nicht zu merken.
    „Ich bin’s, Herr Glockner. Bin mit Karl
bei dem Psychologen Tickel. Kennen Sie, ja? Wir haben keine Einzelheiten
verraten, nur gesagt, daß ein Mädchen entführt wurde — vermutlich — und
sogenannte Horror-Mönche die Täter sind. Wollten ein Psychogramm dieser Typen.
Das haben wir jetzt auch. Aber es paßt leider auf zuviele Seelen-Beknackte.
Eben, wir wollten gerade ‘ne Mücke machen, wird Tickel von dem Wachmann
angerufen,
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