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Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)

Titel: Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
Autoren: Hera Lind
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von lauter weiblichen Kurgästen umgeben sind«, hörte ich die Nachtschwester sagen, während sie geräuschvoll das Fenster öffnete. Die kühle, klare Nachtluft schien bis in mein Zimmer zu dringen. »Der Männertrakt wird über die Weihnachtsfeiertage renoviert.«
    »Oh, das ist mir egal.« Der Mann warf seinen Koffer auf das Bett, und ich hörte ihn mit langen Schritten auf und ab gehen. Wahrscheinlich räumte er seine Siebensachen ein. Ich stellte mir vor, wie er ein Buch auf den Nachttisch legte, sein Rasierzeug auf die gläserne Ablage über dem Waschbecken und die Lederjacke auf einen der hölzernen Bügel im Schrank hängte.
    »Wenn Sie was brauchen, bitte einfach klingeln!« Die Nachtschwester war schon wieder unterwegs ins Schwesternzimmer, wo sie unsere Tablettenrationen und Diätpläne zusammenstellte.
    Ich ließ mich auf mein Bett plumpsen. Aha, ein Mann also! War das nun gut oder schlecht? Eine neue Freundin, mit der ich abends auf dem Bett sitzen und plaudern konnte, wäre mir am liebsten gewesen, und ich musste mich erst mal an den Gedanken gewöhnen, eine Art »Fremdkörper« auf unserem Flur zu haben. Sollte ich ihm das kleine Adventsgesteck bringen, das ich für meine neue Nachbarin gebastelt hatte? Eine rote Kerze auf frischem Tannengrün, verziert mit kleinen roten Schleifen und einem kleinen Gipsengel? Auf einmal kam es mir kitschig vor.
    Das Fenster wurde wieder geschlossen, bald darauf wurde es still.
    Ich kaute an meinem Daumennagel. Eigentlich war jetzt Zeit für meine heimliche Abendzigarette.
    »J. Bruns« legte sich jetzt bestimmt schlafen. Vielleicht hieß er Joachim. Oder Jochen. J wie Jedermann. Sicherlich war er müde und erschöpft von der Anreise, auch er hatte ziemlich dünn ausgesehen. Alle, die hier ankamen, waren ausgelaugt und ausgebrannt, hatten schwere Krankheiten hinter sich oder große Sorgen und Nöte zu überwinden.
    Ich schnappte mir meine Zigarettenpackung und huschte an seinem Zimmer vorbei, unter dessen Tür ein fahler Lichtschein zu sehen war. Gemütlicher Kerzenschein war das sicherlich nicht.
    Der Raucherraum befand sich in einer abgetrennten Ecke des Wintergartens. Seufzend ließ ich mich dort in einen Sessel fallen, zog den Rauch tief in die Lunge und hing meinen Gedanken nach, bis mir ein kühler Luftzug sagte, dass die Tür aufgeschoben worden war. Hinter dem Zigarettenqualm erkannte ich Jedermann, der sich fast schüchtern hereinschob.
    »Entschuldigung«, sagte er verlegen. »Ich wollte nicht stören.«
    Er störte doch nicht! Wobei denn?!
    »Wenn Sie rauchen wollen, ist das der einzige Ort, wo es erlaubt ist«, hörte ich mich sagen. Jedermann schob sich nun ganz durch die Tür. Er lächelte mir zu, die ich da rauchend und fröstelnd im roten Morgenrock neben der Stehlampe hockte. Mit angezogenen Knien, die ich mit den Armen umschlang, als wollte ich mich gegen etwas schützen. Und auf einmal fühlte ich wieder dieses Prickeln.
    »Ich rauche nicht, aber wenn es Ihnen nichts ausmacht, bleibe ich einen Moment.«
    Jedermann streckte mir die Hand hin, und sie fühlte sich kühl und trocken an. »Jürgen Bruns. Ich bin gerade aus Göttingen angekommen.«
    Jürgen also. Er sah wirklich gut aus: Ernste graue Augen blickten aus einem schmalen Gesicht, die Nase war gerade geschnitten, der Mund wirkte besonnen. Seine Kleidung war das, was man »gepflegt« nennt, und er roch schwach nach einem herben Aftershave. Das genaue Gegenteil von einem lauten Platzhirsch. Insgeheim atmete ich erleichtert auf. Er war ganz anders als Leo.
    »Gerti Wolf«, sagte ich. »Aber hier nennen mich alle Wölfchen, weil der Name Wolf nicht so richtig zu mir passt!«
    Wolf, das passte zu Leo, meinem Ex-Mann. Leo Wolf war ein gefährliches Raubtier und ich das Schaf, das er damals in seine Fänge bekommen hatte. Nur der gemeinsame Name verband uns noch. Plötzlich spürte ich, wie eine lächerliche Röte über meinen Hals kroch. Das war ja wohl mehr als peinlich! Was ging den großen Braunen mit dem blanken Schuh mein Spitzname an? Vielleicht glaubte er, ich wollte mich gleich bei ihm anbiedern? Hastig hüllte ich mich in eine neue Rauchschwade, damit er mein verlegenes Gesicht nicht sehen konnte. Aber zu meiner Erleichterung lächelte Jürgen Bruns, wobei ein Grübchen in seiner rechten Wange erschien. Er pflückte ein gebatiktes Kissen vom Stuhl und ließ sich langbeinig darauf nieder: »Wahrscheinlich sind Sie ein zäher kleiner Wolf, der sich ganz schön durchbeißen musste im
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