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Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel
Autoren: Gunnar Staalesen
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Jakob und ich machten verträumte Spaziergänge, abends. Dann kletterten wir auf die Festungsmauer, genau am Eingang des Nordnesparks, wo man am leichtesten raufklettern kann. Es war so ein plötzlicher warmer, hellblauer Maiabend, und da oben, auf dem Wall … bekam er, was er wollte.«
    »Und danach?«
    »Danach zeigte sich, daß es nur das war, was er wollte. Er zeigte mir die kalte Schulter, und dann kam Johnny mit Vollgas …«
    »Und rannte offene Türen ein?«
    Sie biß sich in die Oberlippe und lächelte. »So kannst du es sagen. Und als ich entdeckte, daß ich schwanger war …«
    »… sagtest du Johnny, es sei von ihm?«
    Sie nickte wieder.
    »Er war noch nie besonders gut im Rechnen, oder?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Und dann heirateten wir.«
    »Und er reagierte noch nicht mal, als sie geboren wurde?«
    »Ich sagte, sie sei – etwas zu früh gekommen.«
    »Aber du wußtest die ganze Zeit, wessen Tochter sie war.«
    »Natürlich.«
    »Aber du hast es Jakob nie gesagt?«
    »Warum sollte ich?«
    »Und er hat nie gefragt?«
    Sie sah mich bitter an. »Wie du siehst, war er auch nicht so gut im Rechnen. – Die Männer zu der Zeit, Ende der 50er Jahre, waren völlig fixiert – auf das hier!« Sie legte die Hände unter ihre großen Brüste.
    »Aber das war 1961«, sagte ich vorsichtig.
    Sie überhörte es. »Alles, worauf sie aus waren, war dazuliegen und sie zu drücken und zu kneten, als wären sie … Ballons … Pokale! Daß hier oben was war«, sie schlug den Zeigefinger gegen die Stirn, »darüber machte sich keiner Gedanken. Und was hier unten war«, sie deutete diskret auf die Partie zwischen ihren breiten Schenkeln, »das gab’s eben dazu. Eine Art Bonus. – Aus reiner Zerstreutheit machten sie uns Kinder. Denn das passierte schließlich nicht nur mir!«
    Ich nickte. »Nein. Die 50er Jahre waren das Jahrzehnt der unfreiwilligen Schwangerschaften. Davor paßte man auf. Danach konnte man besser mit Verhütung umgehen.«
    »Genau.«
    »Aber wann hast du es dem Johnny erzählt?«
    »Viel später. – Und er hatte es verdient! «
    »Aber wann …«
    »Das Schwein!«
    Ich nickte. »Aber …«
    »Du kannst dir ja denken, daß er im Laufe der Jahre nicht gerade wenig Weibergeschichten hatte. Sie haben ihre Harfen nicht gerade im Nonnenkloster gestimmt … die Harpers! Aber als er in dem Sommer zurückkam … Sie waren zehn Tage auf Tournee gewesen durch die Fjorde, und er kam mit Gonorrhöe nach Hause! Da hab’ ich ihn in die Wüste geschickt! Ich hab’ ihm endgültig die Meinung gesagt, daß er mein Laken nicht mehr besudeln sollte und daß Jakob Ruths Vater ist.«
    »Und wie nahm er es auf?«
    »Wie ich gehofft hatte. Wie einen Tritt zwischen die Beine. Ich traf ihn genau da, wo es am wehsten tat – mitten in seiner Männlichkeit. Er war nicht der erste gewesen! Jakob war vor ihm da gewesen! Und wegen seines Kindes hatte er mich heiraten müssen!«
    »Und wann passierte das? 1975, denke ich?«
    Sie nickte kleinlaut. »1975. Ende August.«
    Ich seufzte schwer. »Und da nähern wir uns ziemlich böse dem Oktober. – Warum hast du mir, als ich das letzte Mal hier war, nicht erzählt, was damals wirklich passiert ist?«
    »Darüber kann man nicht einfach so reden!«
    »Aber wußtest du – ahntest du, daß er Ruth schon früher mißbraucht hatte? Als sie noch seine Tochter war?«
    Sie schüttelte schwer den Kopf. »Nein, Veum. Ich hatte keine Ahnung. Erst hinterher, als sie … In dem Fall hätte ich ihn schon viel früher verlassen. Als ich das erfuhr, bin ich am selben Tag gegangen!«
    »Aber zur Polizei bist du nicht gegangen?«
    Ihr Blick wich mir aus. »Nein. Es war so beschämend. Ich wollte nicht darüber reden. Mit niemand. Nur einen großen, dicken Strich unter alles ziehen – und vergessen.«
    »Es wäre vielleicht für Ruth besser gewesen, wenn du das Gegenteil getan hättest«, sagte ich leise. »Das hätte eine Art Schlußstrich unter alles gezogen. Für sie, meine ich.«
    »Und alles noch mal wieder aufreißen, in einem Gerichtssaal? Von unbarmherzigen Staatsanwälten aufs Korn genommen zu werden? Das wollte ich meiner Tochter ersparen. Und sie war meine Tochter! Nur meine.«
    Ich saß da und grübelte. »Was hast du gedacht, als du … Als du plötzlich all diese – Todesanzeigen sahst?«
    »Was ich dachte? Was sollte ich denken?«
    »Du wußtest doch auch, wer an dem Abend dabei war – oder? Hjellestad, Kløve, Jakob, Johnny – und Jan Petter Olsen?«
    Sie nickte stumm.
    »Aber wo
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