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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis
Autoren: Chiara Strazzulla
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Augen schaute er auf. Die Tür zum Lazarett öffnete sich langsam. Auf der Schwelle stand Rabba Nix. Er trug wie üblich seinen warmen zotteligen Umhang, das grüne Röckchen und die Glücksbringer, die bei jeder seiner Bewegungen klingelten. Auf seinem spitzen Gesicht lag eine merkwürdige Mischung aus Freude,Verlegenheit und einem Hauch Melancholie.
    Hinter ihm sah er den Einsamen stehen, stolz und gelassen, umgeben von einer strengen, konzentrierten, geheimnisvollen Schönheit. Er sah genauso aus wie immer, höchstens ein wenig erschöpft.
    »Dürfen wir eintreten oder schlafen Euer Gnaden noch?«, fragte Rabba Nix gut gelaunt.
    Slyman nickte nur stumm. Er hatte das Gefühl, wenn er jetzt den Mund geöffnet hätte, wäre ihm ein ohrenbetäubender Freudenschrei entfahren. Der Einsame war hier, er lebte und anscheinend ging es ihm gut. Mehr konnte er sich wirklich nicht wünschen.
    Ohne weiter von dem Erstaunen und dem Glück Slymans Notiz zu nehmen, betrat der Einsame mit langen Schritten den Raum und setzte sich auf die Bettkante neben ihn. Slyman lehnte seinen Kopf an seine Schulter, legte ihm den Arm um die Taille und atmete die vertraute Wärme seines väterlichen Freundes. Der Einsame streckte seine große Hand aus und zerzauste Sylman die
Haare, und obwohl sein Gesicht so streng wirkte wie gewöhnlich, lag ein heiteres Funkeln in seinen Augen. Auch Rabba Nix war hereingekommen und hatte die Tür hinter sich geschlossen. Der Ka-da-lun hielt sich nun ein wenig abseits und wartete, und Slyman kam es vor, als wäre er nicht mehr der gleiche Frechdachs, der ihm damals die Kleider gestohlen hatte, während er im Fluss ein Bad nahm - damals im Wald ohne Wiederkehr.
    »Herr«, flüsterte Slyman und drückte sich eng an den Einsamen. »Ihr lebt! Ihr wisst gar nicht, wie viel Angst ich gehabt habe!«
    »Das kann ich mir denken, vor der Finsternis«, erwiderte der Einsame und streichelte ihm zärtlich wie ein Vater über das Gesicht. »Aber ihr seid alle beide sehr mutig gewesen. Und seid zu Helden geworden. Das wirst du merken, sobald du hier herauskommst.«
    Einen Augenblick lang lächelte Slyman stolz. »Nein, das meinte ich nicht, Herr«, erwiderte er dann wieder leise, beinahe verlegen. »Ich war in Sorge um Euch.«
    Der Einsame sah ihn ruhig an. Seine Hände strichen einen Moment über das Kettchen ohne Anhänger an Slymans Hals. »Ist er kaputtgegangen?«, erkundigte er sich beinahe beiläufig, und Slyman nickte verwirrt. »Na ja, das hatte ich angenommen. Es war eigentlich klar, dass das passieren musste. Ein Zauber, der die Finsternis zerstören kann, ist natürlich zu viel für etwas wie das hier.« Der Einsame zuckte mit den Schultern. »Aber eigentlich tut es mir nicht leid. Es hat seinen Zweck erfüllt und ich konnte es entbehren. Es war nützlich, aber ich kann darauf verzichten.« Seufzend sah er Slyman an. »Vielleicht sollte ich dir jetzt die Wahrheit sagen.«
    Slyman sah ihn an und schien zu begreifen. »Also stimmt es gar nicht, dass er Eure Seele enthalten hat.«
    Der Einsame schüttelte beinahe schuldbewusst den Kopf.
    »Nein, wohl kaum«, sagte er. »Das ist ein allgemein verbreitetes
Gerücht, und mir kam es gelegen, dass du daran geglaubt hast, aber ich fürchte, dass es nicht stimmt.Trotzdem sind das sehr nützliche, magische Objekte. Und das Erstaunlichste an ihnen ist, dass sie auch jemand einsetzen kann, der nicht die geringste Ahnung von Magie hat.«
    »Wie setzt man sie ein? So, wie es aussieht, habe ich den Anhänger benutzt, ohne zu wissen, wie.« Slyman zögerte einen Augenblick, bevor er den Mut fand, eine letzte Frage zu stellen: »Und warum habt Ihr mir nicht alles erzählt?«
    Hatte er sich getäuscht oder lag da in der Miene des Einsamen ein Hauch von Befriedigung? Slyman blieb keine Zeit, darüber nachzudenken.
    »Tatsächlich funktioniert das Ganze sehr einfach«, erklärte der Einsame nämlich jetzt, und Slyman bemerkte, dass auch Rabba Nix interessiert lauschte. »Um die Magie in Kraft zu setzten, musst du nur an sie glauben. Also, in der Praxis heißt das: Der Talisman tut alles das, wovon du glaubst, dass er es vermag. Wenn ich mich nicht irre, hast du während deines Kampfes gegen die Finsternis fest daran geglaubt, dass der Talisman dich auf irgendeine Weise beschützen würde, und das hat er dann auch tatsächlich getan. Die Anstrengung war allerdings zu groß, als dass selbst ein magisches Objekt sie hätte aushalten können.« Er hob eine Augenbraue und fragte: »Willst
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