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Gefaehrten der Finsternis

Titel: Gefaehrten der Finsternis
Autoren: Chiara Strazzulla
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höchstem Grade starrköpfig und würde sich durch nichts
in der Welt von seiner Haltung abbringen lassen. Und Vandriyan wollte nicht streiten, nicht jetzt, wo er gerade erst aus dem Krieg zurückgekehrt war.
    »Wie viele sind denn mit nach Hause gekommen?« Lyannen starrte den Vater aus seinen eisblauen Augen an.
    Vandriyan hockte sich auf den Wannenrand und erzählte. »Ich, Hilsir,Tyhanar und Lanyan«, antwortete er, »die anderen kämpfen alle noch an der Front und sind wohlauf.«
    »Wenigstens das.« Lyannen seufzte und ließ sich tiefer in den Schaum gleiten. »Man hört ja nicht viel Gutes - wenn überhaupt etwas zu uns durchdringt. Der letzte Bote von der Front war bei seiner Ankunft mehr tot als lebendig, er konnte sich kaum auf den Beinen halten. Ein blutiger Verband um den Kopf, überall Wunden und quer übers Gesicht eine Scharte, die ihm bestimmt bleiben wird. Und dann musste man ihm einen Arm amputieren, er hatte eine so brandige Stelle, dass einem beim Hingucken ganz schlecht werden konnte. Es wäre schrecklich, wenn einer meiner Brüder so zugerichtet zurückkommen würde.« Er nahm einen eleganten Hornkamm vom Wannenrand und fuhr sich damit durch die rabenschwarzen Haare. »Du hast ja keine Ahnung, wie viel zu ertragen ich bereit wäre, von mir aus könnte ich an der Front auch noch Schlimmeres erleiden.Wenn man mich nur dahin ziehen lassen würde.« Seine Stimme war voller Bitterkeit, doch er kämmte sich auf eine schon fast aufreizend gleichgültige Art weiter, als ob nichts wäre.Vandriyan wartete schweigend ab, bis er fertig war. Schließlich legte Lyannen den Kamm wieder auf den Wannenrand. »Deswegen bist du aber nicht zu mir gekommen, oder? Nein, damit hättest du gewartet, bis ich mein Bad beendet hätte. Du bist nicht nur hier heruntergekommen, um mir zu sagen, dass ihr zurück seid. Da ist noch etwas.« Seine hellen Augen erforschten Vandriyans Gesicht. »Mutter hat es dir gesagt, stimmt’s? Das mit Eileen.«
    Vandriyan seufzte. Dieses Thema hätte er am liebsten nicht sofort
angesprochen. Bereits die Aussicht auf die unvermeidlich folgende Auseinandersetzung regte ihn auf. »Ja, Lyannen, sie hat es mir erzählt. Und ich glaube, du weißt, was ich dir jetzt sagen muss.«
    »Ich denke schon.« Lyannen schaute nach oben an die Decke. »Ihr habt nicht besonders viel Fantasie, oder? Ihr sagt mir beide immer das Gleiche.Aber ich habe nicht vor, auf sie zu verzichten, das habe ich schon Mutter erklärt und das sage ich jetzt auch dir. Um nichts auf der Welt würde ich das tun. Eileen ist das Schönste, was mir je in meinem Leben widerfahren ist,Vater. Und soweit ich mich erinnere, gibt es da nicht gerade viel.«
    »Ich weiß.« Vandriyan setzte sich etwas bequemer zurecht. Er war nun Lyannen ganz nah, er hätte mit seinem Knie seinen Nacken berühren können. Trotzdem hatte er das Gefühl, noch nie so weit von ihm entfernt gewesen zu sein. »Aber deine Mutter hat recht; alle, mit denen du gesprochen hast, haben recht. Sie ist nicht für dich bestimmt, und sie wird es nie sein, glaube mir. Eileen ist eine Prinzessin, Lyannen, sie ist die einzige Tochter des Königs, die einzige Erbin des Reiches. Jemand wie sie hat nur bei sehr wenigen Fragen in ihrem Leben das Recht, eigenständige Entscheidungen zu treffen, und ganz sicher darf sie nicht darüber bestimmen, mit wem sie sich verbindet. Ihr könnt nicht zusammenbleiben, auf gar keinen Fall. Ihr würdet euch nur wehtun, gegenseitig. Lass es bleiben.«
    Lyannen zog sich am Rand der Badewanne hoch und funkelte seinen Vater an. »Du sagst das so dahin: Lass es bleiben!«, rief er. »Du bist der Letzte der Ersten, nicht wahr? Dir ist alles erlaubt. Du kannst es dir wahrscheinlich nicht einmal vorstellen, wie das ist, ein Halbsterblicher zu sein. Es heißt, weniger als nichts wert zu sein. Wenn alle mich anschauen,Vater, und das tun sie andauernd, ist das nicht dasselbe, als wenn sie dich anschauen. Sie starren auf mich, weil ich sie anwidere. Ich bin der Schandfleck in ihrer makellosen Welt. Seit ich davon erfahren habe, dass Krieg
herrscht, habe ich nichts anderes getan, als darauf zu warten, dass ich endlich dreihundert Jahre alt werde und allen beweisen kann, dass ich genauso viel wert bin wie sie. Aber so wie es aussieht, schämen sie sich meiner so sehr, dass ich nicht einmal an die Front ziehen und mich für sie totschlagen lassen darf.« In stummem Zorn fischte er den Schwamm vom Wannengrund, zog ihn aus dem Wasser und klatschte ihn gegen die
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