Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefährliches Geheimnis

Gefährliches Geheimnis

Titel: Gefährliches Geheimnis
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
ihm, dass Sie ihn sprechen wollen.«
    Monk war überrascht, dass Runcorn, der Mann, der das Kommando über das Revier führte und seit Jahren keinen Fall persönlich geleitet hatte, sich mit einem Fall befasste, der eine gewöhnliche häusliche Tragödie zu sein schien. War er darauf aus, einen einfachen Fall zu lösen, damit man sah, dass er Erfolg hatte und er die Anerkennung einheimsen konnte? Oder war der Fall auf eine Weise wichtig, die Monk nicht ahnen konnte, und Runcorn wollte nicht gleichgültig erscheinen?
    Monk setzte sich auf die hölzerne Bank und machte sich darauf gefasst, lange warten zu müssen. Runcorn würde
    ihn warten lassen, um dafür zu sorgen, dass Monk nicht vergaß, dass er hier keinen Rang mehr hatte.
    Es dauerte jedoch keine fünf Minuten, bis ein Constable erschien und ihn nach oben in Runcorns Büro führte, was Monk beunruhigte, weil es ganz und gar nicht das war, was er erwartet hatte.
    Runcorns Büro sah aus wie immer – sauber, phantasielos, dazu bestimmt, mit der Wichtigkeit seines Besitzers zu beeindrucken, was ihm jedoch nicht gelang. Einem Mann, der sich wohl fühlte in seiner Haut, wäre das nicht so wichtig gewesen.
    Runcorn selbst war ganz der Alte – groß, langes, schmales Gesicht, aber immer noch gut aussehend. Er betrachtete Monk misstrauisch. Es war, als wären sie in die Vergangenheit zurückkatapultiert worden. Die alten Rivalitäten waren mit Macht wieder da, ebenso wie das Wissen, wo und wie man den anderen verletzen konnte, die Verlegenheit, die Zweifel, die Fehler, die jeder zu vergessen wünschte und doch in den Augen des anderen widergespiegelt sah.
    Runcorn betrachtete Monk mit festem Blick, sein Gesicht beinahe ohne jeden Ausdruck. »Baker sagte, Sie wissen etwas über die Morde in der Acton Street«, sagte er. »Ist das richtig?«
    Dies war der Augenblick, in dem Monk vermeiden musste, auch nur andeutungsweise die kleinste Lüge vorzu- bringen. Es würde später negativ auf ihn zurückfallen und nicht wieder gutzumachenden Schaden anrichten. Und doch war die ganze Wahrheit nicht von Nutzen, wenn er Runcorn zur Zusammenarbeit gewinnen wollte. Der war auf der Hut und bereit, sich gegen die geringste Beleidigung oder Untergrabung seiner Autorität zu wehren. Die Jahre, in denen Monk ihn mit seinem schnelleren Denken und seiner
    flinkeren Zunge verhöhnt hatte, lagen wie ein unüber- windlicher Abgrund zwischen ihnen.
    Monk hatte sich auf dem ganzen Weg hierher den Kopf zermartert, was er Kluges und Wahres sagen konnte, und doch war ihm nichts eingefallen. Er stand in dem ihm vertrauten Büro von Runcorn, und das Schweigen dauerte bereits zu lange. In Wahrheit hatte er keinerlei Informationen über die Morde in der Acton Street, und das, was er über Kristian Beck und dessen Frau wusste, konnte leicht mehr Schaden anrichten als nutzen.
    »Ich bin ein Freund der Familie Beck«, sagte er, und als die Worte heraus waren, wurde ihm klar, wie lächerlich und unangemessen sie klangen.
    Runcorn starrte ihn an, und für einen Augenblick blickten seine Augen fast ausdruckslos. Er wog ab, was Monk gerade gesagt hatte, und dachte über etwas nach. Monk erwartete eine vernichtende Antwort und rüstete sich innerlich dagegen.
    »Das … könnte hilfreich sein«, sagte Runcorn langsam. Die Worte hörten sich an, als würden sie ihm abgerungen.
    »Natürlich ist dies ein einfacher Fall«, fuhr Monk fort.
    »Ich glaube, es wurde auch noch eine andere Frau umgebracht …« Er war unentschlossen, ob er dies als Frage oder als Behauptung formulieren sollte, und so hing der Satz unvollendet im Raum.
    »Ja«, meinte Runcorn und fuhr fort: »Sarah Mackeson, ein Modell.« Er sprach das Wort mit Widerwillen aus.
    »Sieht aus, als wären beide ziemlich um die gleiche Zeit ermordet worden.«
    Monk verlagerte sein Gewicht leicht von einem Fuß auf den anderen. »Sie leiten den Fall persönlich?«
    »Personalmangel«, sagte Runcorn trocken. »Jede Menge
    Krankheitsfälle, und unglücklicherweise ist Evan nicht da.«
    »Verstehe. Ich …« Monk überlegte es sich anders. So rasch konnte er keine Hilfe anbieten.
    »Was?« Runcorn schaute zu ihm auf. Seine Miene war fast ausdruckslos, in seinen Augen lag ein Schimmer Streitlust.
    Monk ärgerte sich über sich selbst, dass er sich in eine solche Lage gebracht hatte. Jetzt wusste er nicht, was er sagen sollte, aber zum Rückzug war er noch nicht bereit.
    Runcorn senkte den Blick auf seinen Tisch, dessen saubere Platte nicht mit Papieren,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher