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Gefährlicher Sommer

Titel: Gefährlicher Sommer
Autoren: Bastei Lübbe
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als die Urheberin des Übels heraus, denn ihre Schwester daheim hatte Scharlach, wie sie arglos berichtete, und sie hatte keineswegs daran gedacht, sich von ihr fern zu halten. Nach diesem Geständnis legte sie sich ins Bett und war gleich darauf vom Fieber geschüttelt.
    Die Nachricht vom Scharlach machte in Windeseile ihre Runde in der Eulenburg. Schon am nächsten Morgen trafen die ersten Eltern ein, die ihre Kinder sofort abholen wollten. Vorher hatte Frau Andresen während des Frühstücks im großen Speisesaal erklärt, die Reitschule müsse leider für diese Ferien geschlossen bleiben.
    »Es tut mir sehr leid, aber es wäre völlig unverantwortlich, euch hierzubehalten«, sagte sie. »Ihr würdet euch mit einiger Sicherheit anstecken, wohingegen jetzt noch eine Chance besteht, dass ihr davonkommt. Die Ansteckungszeit bei Scharlach beträgt drei bis vier Tage, wenn ihr also in einer Woche noch in Ordnung seid, ist die Wahrscheinlichkeit recht groß, dass ihr nicht infiziert seid. Trotzdem müsst ihr euch dann noch vierzehn Tage von anderen fern halten. Ich weiß, das verdirbt euch die ganzen Ferien. Ich kann nur sagen, dass wir von der Eulenburg das alles sehr bedauern.«
    Das Frühstück wurde in bedrücktem Schweigen beendet.
    Die Reitstunde fiel aus an diesem Tag, denn Frau Andresen hielt es für besser, ihre Gäste so weit wie möglich voneinander getrennt zu halten. Sie hatte inzwischen alle Eltern informiert, ihnen die Rückkehr ihrer Kinder angekündigt und die Rückerstattung der Kosten in die Wege geleitet. Sie war deprimiert und fühlte sich elend. Die Eulenburg war ihre Reitschule, mehr als die ihres Mannes. Ihre Ideen, ihre Tatkraft, ihre Arbeit und ihr Organisationstalent steckten darin. Der Ausbruch der Krankheit, der nun die Schließung der Schule für den Sommer nach sich zog, schien ihr wie ein persönlicher Rückschlag.
    Diane rief Chris an, Toms Freund, mit dem sie sich für den Nachmittag zum Schwimmen verabredet hatten. »Wir können nicht kommen«, erklärte sie traurig. »Bei uns ist Scharlach ausgebrochen. Sie machen die ganze Eulenburg dicht und schicken uns nach Hause.«
    »Das gibt es doch gar nicht!«, sagte Chris entsetzt.
    »Doch. Und wir dürfen nicht mal zu dir rüberkommen jetzt, und du darfst nicht hierher. Ach, Chris, wir hatten uns so auf diese Ferien gefreut!«
    Am Nachmittag erschienen Pats Eltern mit einem Pferdetransporter, um ihre Tochter und deren Pferd abzuholen. Sie versuchten zu trösten. »Du hast dein Pferd, und du hast einen schönen Garten daheim. Du kannst es dir doch ganz nett machen.«
    »Das ist nicht dasselbe«, widersprach Pat störrisch und schüttelte ihre langen roten Locken, mit denen sie manchmal etwas wild aussah. »Ich werde mich zu Tode langweilen!«
    »Vielen Dank«, sagte ihre Mutter, nun auch etwas verärgert. »Wir finden es schön, dass unsere einzige Tochter so gern mit uns zusammen ist!«
    Pat durfte sich nicht einmal von Tom verabschieden. Angie und Diane hätten heulen können, als sie ihr nachsahen, wie sie mit Tobi ins Auto stieg, wie der Hänger mit der schönen Fairytale davonrollte.
    »So ein Mist!«, sagte Angie aus tiefster Seele.
    Bis zum Abend war es schon sehr leer in der Eulenburg geworden. Kein Gelächter, keine Stimmen mehr, kein Herumgewusel von Dutzenden von Jungen und Mädchen. Die Sonne ging rot glühend über dem Meer unter, als Herr Andresen Angie und Diane zum Bahnhof fuhr. Sie wollten nach Hamburg und von dort den Abendzug nach Kiel nehmen. Sie dachten daran, wie Tom sie vor einer Woche an demselben Bahnhof abgeholt hatte - mit einer Pferdekutsche, wie er das immer tat.
    Nun kamen ihnen wirklich die Tränen; angestrengt sahen sie zum Fenster hinaus und vermieden es, einander mit ihren Blicken zu begegnen.
    »An Weihnachten«, sagte Herr Andresen, »kommt ihr einfach wieder.«
    Weihnachten! Es schien ihnen hundert Jahre bis dahin zu sein.
 
    Daheim bemühten sie sich, die Ferien zu genießen, aber eine richtig fröhliche Stimmung wollte nicht aufkommen. In der ersten Zeit durften sie das Haus nicht verlassen und keine Freunde besuchen, denn es musste erst sicher sein, dass sie sich nicht angesteckt hatten. Sie aalten sich im Garten in der Sonne und langweilten sich zu Tode.
    »Jetzt hätten wir Reitstunde«, sagte Angie immer, oder: »Jetzt würden wir mit Tom, Chris und Pat am Strand liegen!«
    »Wenn ihr euch dauernd so etwas erzählt, werdet ihr euch überhaupt nicht mehr damit abfinden, dass ihr nicht in der
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