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Gefaehrlicher Liebhaber - Jagd auf Jack the Ripper

Gefaehrlicher Liebhaber - Jagd auf Jack the Ripper

Titel: Gefaehrlicher Liebhaber - Jagd auf Jack the Ripper
Autoren: Cassandra Norton
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verschwand, um gleich darauf zurückzukehren.
    „Ihr Diener kann den Korb aus der Backstube holen, Miss“, sagte sie und stemmte die Fäuste in die Hüften.
    Elizabeth bemerkte zufrieden den Ruck, der bei diesem Satz durch ihren Begleiter ging. Sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
    „Na, dann gehen Sie mit!“, forderte sie ihn auf. Der Blick, den er ihr daraufhin schenkte, war ein aufgehobener Fehdehandschuh.
    Verwundert registrierte Elizabeth, dass er kein Wort sagte, sondern das angebotene Brot herbeischleppte. Im gleichen eisigen Schweigen, das sie auf dem Hinweg begleitet hatte, machten sie sich auf den Rückweg.
    „Ich hoffe, sie haben sich gut amüsiert, M’lady“, zischte Jeffrey, als Elizabeth begann, die Brote auszugeben.
    „Ich amüsiere mich immer, wenn hochnäsige Knaben auf den Boden gestellt werden“, erwiderte sie und schenkte dem nächsten Bittsteller ein freundliches Lächeln.
    Er stand ihr gegenüber, die eisblauen Augen unverwandt auf sie gerichtet und stellte ein Hindernis für jeden Hungrigen dar. Doch das kümmerte ihn offensichtlich nicht.
    „Jeffrey … kannst du noch bleiben und uns helfen, die Tische umzustellen? Wir müssen etwas ändern, denn wir können die vielen Leute kaum noch unterbringen.“
    „Sicherlich nicht“, erwiderte er gelassen.
    „Und wieso nicht?“, hakte seine Schwester nach.
    „Erstens spreche ich heute Abend im Arbeiterverein und zweitens missbillige ich zutiefst, was ihr hier tut. Und das weißt du auch.“
    Seine Stimme hatte eine Strenge angenommen, etwas Prinzipielles, das Elizabeth aufhorchen ließ. Die breiten Schultern gestrafft, vor Energie strotzend, beugte er sich zu Dora hinab, küsste sie auf die Stirn und ging mit zügigen Schritten hinaus.
    Elizabeth nahm nicht wahr, dass sie ihm noch immer hinterhersah, obwohl die Tür längst hinter ihm zugefallen war.
    Nachdem der letzte Hungrige gegangen war, setzte sie sich erschöpft zu Dora in eine Ecke der Suppenküche und trank den von einer anderen Helferin angebotenen Tee.
    „Ich muss mich für Jeff entschuldigen. Er kann fürchterlich ungehobelt sein.“ Dora lächelte und Elizabeth ertappte sich bei dem Gedanken, ob Jeff wohl noch attraktiver wäre, wenn er lächelte.
    „Aber er hält unsere Suppenküche für eines der besten Mittel, um die Ausbeutung der Armen fortbestehen zu lassen.“
    „Ah, ja?“ erwiderte Elizabeth und strich eine Strähne aus ihrer Stirn. „Und wieso denkt er das?“ Tatsächlich fand sie in diesem Moment nichts interessanter als Jeffreys Überzeugungen.
    „Wenn du in den Arbeiterverein gehen würdest, könntest du es von ihm selbst hören. Aber nimm dich in Acht. Jeff kann reden. Er schwatzt einem Mönch den Bart ab, wenn du mich fragst.“
    Weder Hölle noch Hochwasser hätten Elizabeth abhalten können, als erste Adlige den Arbeiterverein von Whitechapel aufzusuchen, um den Mann reden zu hören, der einem Mönch den Bart wegreden konnte. Als sie in dem düsteren Hinterhof angekommen war, den keine Laterne erhellte, nahm Unbehagen Besitz von ihr. Von ihr abgesehen schienen höchstens eine Handvoll Frauen den Verein zu besuchen. Und mit ihrem Cape und dem federnbestückten Hut stach sie aus der grauen Masse derer grell hervor, die sich in dem viel zu kleinen Saal aneinanderdrängten. Die Luft war zum Schneiden dick und der Geräuschpegel kaum zu ertragen. Auf Schritt und Tritt schien man lautstark zu diskutieren. Elizabeth betete, dass sie in diesem Raum nicht in Ohnmacht fallen mochte. Die Blicke, die sie streiften, reichten von abschätzend bis feindselig. Nie zuvor hatte sie das Gefühl gehabt, ihr Anderssein derart ins Gesicht geschrieben zu tragen. Nie zuvor hatte sie sich derart als Außenseiterin empfunden. Als etwas Störendes, nicht Dazugehöriges. Stumm und starr stand sie an der Seite, die Schulter schmerzhaft gegen die raue Mauer gedrückt und genoss jeden Hauch frischer Luft, der durch die einzige Tür hereingeweht wurde. Als eine gewisse Bewegung in die Menge kam und sie sah, dass man jemandem den Weg freimachte, hatte sie bereits vergessen, weshalb sie sich dies alles hier überhaupt zugemutet hatte.
    Zahllose Kehlen räusperten sich, als müssten sie selbst gleich zu reden beginnen und nicht der breitschultrige blonde Mann mit dem kurz geschnittenen Haar, der das Podium betreten hatte.
    Mit einem kleinen Schrecken erkannte Elizabeth, dass er offensichtlich kein Manuskript hatte. Aus irgendeinem ihr nicht nachvollziehbaren Grund vermutete
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