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Gefaehrlicher Liebhaber - Jagd auf Jack the Ripper

Gefaehrlicher Liebhaber - Jagd auf Jack the Ripper

Titel: Gefaehrlicher Liebhaber - Jagd auf Jack the Ripper
Autoren: Cassandra Norton
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gewöhnlich einer der Blind Dogs saß und aufpasste, dass sich alle Kunden benahmen.
    „Welche Sorte mögen Sie, Sir? Hell? Dunkel? Eine? Mehrere?“ Sie klang freundlich und verbindlich, als preise sie Bier und keine Mädchen an.
    „Nichts dergleichen“, antwortete St. John grober, als nötig gewesen wäre. Jetzt war ein wachsamer Glanz in ihre Augen getreten. Waren es auch nur winzige Veränderungen in ihrem Gesicht – sie machten St. John klar, dass diese Frau auf der Hut war. Ihre Fingerspitzen drückten gegen die aufgeschlagenen Seiten vor ihr und ihre Lippen hatten einen weißlichen Rand bekommen. Sie wusste, dass er Polizist war.
    „Ich möchte zu Mr. O’Malley.“
    „Der ist leider nicht im Haus“, erwiderte die Frau und bewegte nichts außer ihrem Mund.
    „Jetzt“, versetzte St. John energisch, woraufhin die Frau sich in einer überraschend heftigen Art von ihrem Tresen abstieß und durch die Tür zu ihrer rechten verschwand. Er selbst hielt die Waffe schussbereit unter seinem Rock. Er hatte sie in ein Holster gesteckt, das er vor Jahren aus Amerika mitgebracht hatte. Dadurch hatte er die Waffe immer griffbereit in Situationen wie dieser, wo er nicht sicher sein konnte, was geschehen würde. Üblicherweise trugen Polizisten gar keine Waffen, aber im East End kam das für St. Johns Begriffe Selbstmord gleich.
    Wenige Augenblicke später kam die Frau zurück.
    „Er erwartet Sie, Sir“, sagte sie so hoheitsvoll, als werde St. John vom Premierminister empfangen. Jetzt, da er hinter ihr herging, fielen ihm ihre schlanke Gestalt und das hervorragend geschnittene dunkle Nachmittagskleid auf. Ein solches Kleid bekam man nicht für ein paar Shilling …
    Sie führte ihn durch eine Art Bar, wo ein Barkeeper Getränke an Gäste ausschenkte, die sich mit den Mädchen vergnügten. Als sie eine Treppe nach oben gingen, mussten sie sich ans Geländer drängen, um Pärchen durchzulassen, die auf dem Weg nach unten waren.
    „Hier ist es, Sir.“ St. John wollte die Hand auf die Klinke legen, als die Frau ihn aufhielt.
    „Sie haben doch keine Waffe, Sir?“
    „Niemals“, erwiderte St. John und trat ein.
    Das erste, was er sah, war ein überdimensionales Bett. Schwer, beinahe wuchtig, aus dunkler Eiche. Und in diesem Bett lag ein Mann, der St. John den Atem anhalten ließ. Ob es aus beruflicher Routine geschah oder aus Neugierde – jedenfalls ließ er seine Blicke über den kaum verhüllten Körper des Mannes gleiten, der sich ihm präsentierte. Er war mit Sicherheit nicht bewaffnet, so viel konnte er feststellen.
    O’Malley – und dass es sich um ihn handelte, daran gab es für St. John keinen Zweifel, war lediglich mit einer Hose bekleidet. Er hatte dunkelbraunes, fast schwarzes Haar, das in dichten, festen Locken bis auf seine Schultern wuchs. Seine Augen waren von einem hellen rehbraun, das St. John faszinierte, da er so eine Farbe noch nie gesehen hatte. Der Oberkörper des Mannes war schlank mit scharf definierten Muskeln. Und wie zu erwarten, zahlreiche Narben, die, soweit er es beurteilen konnte, von Messerstichen herrührten. Seine Brustwarzen waren glatt und flach und hoben sich dunkel von seiner hellen Haut ab.
    Von den Augen abgesehen, hatte St. John eine längere Betrachtung von O’Malleys Gesicht vermieden, wollte er doch nicht, dass dieser Verbrecher in seiner Mimik lesen konnte. Jetzt aber tat er es doch und versank im Anblick der vollen, sinnlichen Lippen und der geraden, kräftigen Nase.
    „Sie müssen Walkers Laufbursche sein“, erklärte O’Malley nach einem langen, an St. John auf und ab wandernden Blick.
    Rot glühende Wut schäumte in St. John auf. Es war weniger seine Selbstbeherrschung, die ihn abhielt, sich den großmäuligen Zuhälter vorzuknöpfen, als vielmehr die Tatsache, dass er ein Gefühl aufkeimen spürte, das jener Spannung nicht unähnlich war, die zwischen zwei Magneten bestand, die gleich gepolt waren. Und wie bei solchen Magneten stieß O’Malley ihn ab.
    „Ich bin Inspector St. John.”
    O’Malley stand auf. Seine Bewegungen waren die einer Raubkatze und St. John war ziemlich sicher, dass sich diese auf Beutezug befand.
    „Zigarette?“, fragte der groß gewachsene Mann, als er eine Idee zu dicht an St. John vorüberging. Dabei roch er den Duft des anderen. Herb. Erdig. Es war ein guter Geruch, fand St. John, der großen Wert auf Gerüche legte. Er versuchte, sich vorzustellen, wie O’Malley über Catherine Eddowes herfiel. Oder war es einer seiner Männer,
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