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Gefährliche Trauer

Gefährliche Trauer

Titel: Gefährliche Trauer
Autoren: Anne Perry
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die Queen Anne Street unterwegs gewesen sein können? Vor einem Jahr noch hätte er gewußt, wo die Straßenräuber, Safeknacker und Schmieresteher zu finden waren, aber heute blieben ihm nichts als Spekulationen und Mutmaßungen, die ihn Runcorn gegenüber verraten würden. Runcorn, der auf jede Gelegenheit lauerte, ihm den Garaus zu machen. Nur noch ein paar Fehler, dann würde Runcorn sich die unglaubliche, wunderbare Wahrheit zusammenreimen und endlich die Entschuldigung parat haben, auf die er schon seit Jahren wartete, um Monk feuern und sich selbst wieder in Sicherheit wähnen zu können; endlich keinen hartgesottenen, ehrgeizigen Inspektor mehr gefährlich dicht auf den Fersen!
    Den Arzt ausfindig zu machen, war nicht weiter schwer. Er mußte lediglich zur Harley Street zurück, die Häuser auf der südlichen Straßenseite abklappern, bis er das richtige erwischt hatte, und sich nach ihm erkundigen.
    »In der Tat«, wurde ihm leicht überrascht bestätigt, als ihn der Hausherr mit müdem, gequältem Blick etwas unterkühlt empfing. »Wenn ich mir auch nicht vorstellen kann, warum das für die Polizei von Interesse sein sollte.«
    »Vergangene Nacht wurde in der Queen Anne Street eine junge Frau ermordet«, erklärte Monk. In zwei oder drei Stunden wußte ohnehin jeder Bescheid, denn die Abendzeitungen würden den Mord garantiert nach Kräften ausschlachten.
    »Vielleicht hat der Arzt jemand gesehen, der sich in der Nähe herumtrieb.«
    »Er wird kaum die Sorte Mensch vom Sehen her kennen, die auf offener Straße junge Frauen ermordet!«
    »Nicht auf offener Straße, Sir, im Haus von Sir Basil Moidore«, berichtigte Monk, obwohl das im Grunde nichts zur Sache tat. »Es geht darum, die Tatzeit zu bestimmen und vielleicht sagen zu können, in welche Richtung der Täter verschwand, obwohl das natürlich nicht viel heißen muß, da haben Sie vollkommen recht.«
    »Ich nehme an, Sie wissen, was Sie tun!« sagte der Mann skeptisch. Offensichtlich war er zu sehr mit seinen eigenen Sorgen beschäftigt, um sich das Unglück anderer groß zu Herzen zu nehmen. »Die Dienstboten pflegen heutzutage einen sonderbaren Umgang. Ich würde mich nach jemand umsehen, den sie selbst hineingelassen hat - einen zwielichtigen Verehrer zum Beispiel.«
    »Bei dem Opfer handelt es sich um Sir Basils Tochter, Mrs. Haslett«, versetzte Monk mit bitterer Genugtuung.
    »Großer Gott! Wie abscheulich!« Der Gesichtsausdruck des Mannes wandelte sich um hundertachtzig Grad. Durch einen einzigen Satz war das entfernte Übel anderer, die in seiner Welt keine Rolle spielten, zu einer akuten, bedrohlichen Gefahr geworden. »Das ist ja furchtbar!« Alle Farbe wich aus seinem Gesicht, für den Bruchteil einer Sekunde brach sogar seine Stimme. »Und? Was gedenken Sie zu unternehmen? Wir brauchen mehr Schutz auf den Straßen, mehr Polizei! Woher kam dieser Kerl? Was hatte er hier zu suchen?«
    Mit säuerlichem Lächeln verfolgte Monk den plötzlichen Umschwung in seinem Verhalten. Wäre das Opfer ein Dienstmädchen gewesen, hätte sie ihren Tod quasi selbst verschuldet - was mußte sie auch so lockeren Umgang pflegen! Da es sich aber um eine vornehme Dame handelte, galt es nun selbstverständlich, die Patrouillen zu verdoppeln und den Schurken umgehend dingfest zu machen.
    »Also?« sagte der Mann ungehalten, als er das sah, was er zwangsläufig für ein höhnisches Grinsen halten mußte.
    »Sobald wir ihn gefunden haben, wissen wir auch, was er hier zu suchen hatte«, flötete Monk liebenswürdig. »Wenn Sie mir in der Zwischenzeit den Namen des Arztes nennen würden - dann kann ich ihn nämlich fragen, ob er etwas Ungewöhnliches bemerkt hat.«
    Der Mann schrieb einen Namen auf ein Stück Papier und reichte es ihm.
    »Verbindlichsten Dank, Sir. Guten Tag.«
    Der Arzt indes hatte auch nichts gesehen und konnte Monk nicht weiterhelfen. Er hatte nicht einmal Miller wahrgenommen. Lediglich den Zeitpunkt, wann er gekommen und wieder gegangen war, vermochte er auf die Minute genau festzulegen.
    Als Monk nachmittags ins Revier zurückkehrte, erwartete Evan ihn mit der Neuigkeit, daß es für jeden so gut wie unmöglich gewesen war, am westlichen Ende der Queen Anne Street vorbeizukommen, ohne von den Dienstboten gesehen zu werden, die vor dem Haus, in dem die Party stattfand, auf ihre Herrschaft warteten. Inklusive der Gäste, die später gekommen und früher gefahren waren, waren so viele Leute dort gewesen, daß es in den Ställen hinterm Haus und auf
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