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Gefährliche Trauer

Gefährliche Trauer

Titel: Gefährliche Trauer
Autoren: Anne Perry
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registrierte mit gemischten Gefühlen das große Interesse, mit dem Rathbone seinem Bericht lauschte. In seiner Miene schlugen sich Angst, Erheiterung, Ärger und etwas undefinierbar Sanftes nieder. Jung wie er war, erkannte Evan sofort, daß die Anteilnahme des Anwalts auf mehr als intellektuellem oder moralischem Engagement beruhte.
    Abschließend gab er wieder, wie Monk sich zu dem Ganzen geäußert hatte, und vergaß auch nicht, von dem Zusammenstoß mit Runcorn zu berichten.
    »Soso«, sagte Rathbone tief in Gedanken. »Soso. Ziemlich dünn, aber man braucht auch kein dickes Seil, um einen Menschen aufzuhängen, nur stabil muß es sein - und stabil ist diese Geschichte wahrscheinlich.«
    »Was werden Sie jetzt tun?« fragte Evan. »Runcorn will nichts davon wissen.«
    Rathbone schenkte ihm eins seiner wundervoll strahlenden Lächeln. »Hatten Sie etwas anderes erwartet?«
    »Nein, aber…« Evan zuckte hilflos mit den Schultern.
    »Ich werde zum Innenministerium gehen.« Rathbone kreuzte die Beine und legte die Fingerspitzen aneinander. »Erzählen Sie mir das Ganze noch einmal, in allen Einzelheiten, damit ich keinen Fehler mache.«
    Gehorsam wiederholte Evan jedes einzelne Wort.
    »Danke.« Rathbone stand auf. »Wenn Sie mich jetzt begleiten würden? Ich werde tun, was ich kann. Falls wir Erfolg haben, dürfen Sie sich einen Konstabler aussuchen, und dann nehmen wir eine Verhaftung vor.« Seine Miene verfinsterte sich. »Wir sollten uns beeilen. Ihrem Bericht nach zu urteilen, weiß Lady Moidore bereits, welche Katastrophe ihr Haus demnächst erschüttern wird.«
    Hester hatte Monk alles erzählt. Sie war gegen seinen ausdrücklichen Wunsch ins Haus zurückgekehrt - tropfnaß und verdreckt, und ohne eine Erklärung für ihren Zustand zu haben.
    Auf der Treppe lief sie Araminta in die Arme.
    »Gütiger Himmel!« gab diese fassungslos und amüsiert von sich. »Sie sehen aus, als ob Sie in all Ihren Sachen ein Bad genommen hätten. Welcher Teufel hat Sie geritten, daß Sie bei diesem Wetter ohne Hut und Mantel ausgegangen sind?«
    Hester zermartete sich das Hirn nach einer Erklärung.
    »Es war ziemlich dumm von mir«, sagte sie, als wäre es eine Entschuldigung für ihr schwachsinniges Benehmen.
    »Stimmt, das war idiotisch!« pflichtete Araminta ihr bei. »Wo waren Sie denn mit Ihren Gedanken?«
    »Ich - äh…«
    Aramintas Augen wurden schmal. »Haben Sie etwa einen Verehrer, Miss Latterly?«
    Da war sie, die Erklärung. Eine absolut plausible Erklärung! Hester sandte ein Dankgebet gen Himmel und senkte betreten den Kopf.
    »Dann dürfen Sie sich glücklich schätzen«, versetzte Araminta gehässig. »Sie sind reizlos genug, und die Fünfundzwanzig haben Sie sicher längst hinter sich. Ich an Ihrer Stelle würde auf alles eingehen, was er Ihnen offeriert.« Damit rauschte sie an Hester vorbei in die Halle hinab.
    Hester stieß einen verhaltenen Fluch aus, stürzte die Stufen hinauf, fegte wortlos an einem verblüfften Cyprian vorbei und über die nächste Treppenflucht in ihr Zimmer. Dort angekommen, riß sie sich die nassen Sachen vom Leib und breitete sie zum Trocknen aus.
    Ihre Gedanken überschlugen sich. Was würde Monk tun? Evan informieren und damit auch Runcorn. Nach dem, was Monk ihr von ihm erzählt hatte, konnte sie sich Runcorns Empörung lebhaft vorstellen. Trotzdem blieb ihm wohl kaum etwas anderes übrig, als den Fall wiederaufzunehmen.
    Sie vertrödelte die Zeit mit unwichtigen Aufgaben. Sie fürchtete sich vor der nächsten Begegnung mit Beatrice, aber es war die einzige Rechtfertigung für ihr weiteres Hiersein.
    Mit klopfendem Herzen und feuchten Händen brach sie auf, um sich der Situation zu stellen.
    Sie taten beide so, als hätte das Gespräch am Morgen nicht stattgefunden. Beatrice ließ sich in heiterem Ton über alle möglichen Episoden aus ihrer Vergangenheit aus. Sie erzählte von ihrer ersten Begegnung mit Basil, wie sehr er ihr gefallen, sie aber auch ein wenig eingeschüchtert hatte. Sie sprach von ihrer Jungmädchenzeit in Buckinghamshire, von ihren Schwestern, von den Geschichten, die ihr Onkel zum besten gegeben hatte: Waterloo und der große Brüsseler Militärball am Abend vor der Schlacht, der Tanz, das Feuerwerk, das Gelächter, die wundervollen Ballkleider, die Musik, die prächtigen Pferde, der Sieg, die Niederlage Napoleons und die Befreiung Europas. Mit versonnenem Lächeln und fernem Blick schilderte sie, wie sie dem Eisernen Duke als Kind einmal vorgestellt worden
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