Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefährliche Trauer

Gefährliche Trauer

Titel: Gefährliche Trauer
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
war.
    Das Mittagessen kam und ging, ebenso der Tee, und sie kämpfte mit wachsendem Ingrimm gegen die Wirklichkeit an. Ihre Wangen wurden röter, der fieberhafte Glanz in ihren Augen zunehmend stärker.
    Niemand vermißte sie, keiner kam, um sie zu suchen.
    Gegen halb fünf, es dämmerte bereits, klopfte jemand an die Tür.
    Beatrice war kreidebleich. Ihre Augen schossen zu Hester, dann brachte sie ein relativ gelassenes »Herein!« hervor.
    Cyprian betrat den Raum, beunruhigt und verwirrt, jedoch nicht verängstigt.
    »Mama, die Polizei ist wieder hier. Nicht dieser Monk, aber Sergeant Evan mit einem Konstabler - und dem Anwalt, der Percival verteidigt hat.«
    Beatrice stand langsam auf; sie schwankte nur einen Moment.
    »Ich komme sofort.«
    »Sie wollen mit uns allen sprechen, aber sie weigern sich zu sagen, worum es geht. Wir sollten ihnen den Gefallen wohl tun, obwohl mir schleierhaft ist, wozu das gut sein soll.«
    »Ich fürchte, es wird ein sehr unangenehmes Gespräch werden, Lieber.«
    »Warum? Was gibt es noch viel zu sagen?«
    »Eine ganze Menge«, erwiderte Beatrice. Sie nahm Cyprians Arm, um sich von ihm in den Salon führen zu lassen, wo sich die anderen bereits versammelt hatten, inklusive Septimus und Fenella. Evan und ein uniformierter Polizist hatten sich zu beiden Seiten der Tür aufgestellt. Rathbone stand in der Mitte des Raumes.
    »Guten Tag, Lady Moidore«, sagte er ernst, was unter den gegebenen Umständen eine recht absurde Form der Begrüßung war.
    »Guten Tag, Mr. Rathbone«, gab Beatrice mit leicht zittriger Stimme zurück. »Ich nehme an, Sie sind wegen des Negliges hier?«
    »Ja. Ich bedaure, Sie damit behelligen zu müssen, aber mir bleibt keine andere Wahl. Ihr Lakai Harold hat mir gestattet, den Teppich im Arbeitszimmer zu untersuchen.« Er brach ab und ließ seinen Blick über die Gesichter der Anwesenden schweifen. Niemand verzog eine Miene.
    »Sowohl auf dem Teppich als auch an diesem Brieföffner befindet sich getrocknetes Blut.« Mit einer geschmeidigen Bewegung zog er das Miniaturschwert aus der Tasche und drehte es langsam in der Luft, so daß die Scheide im Licht des Kronleuchters aufblitzte.
    Myles Kellard stand bewegungslos da, die Brauen ungläubig zusammengezogen.
    Cyprian machte einen unglücklichen Eindruck. Basil starrte Rathbone unverwandt an.
    Araminta ballte die Hände zu Fäusten; ihr Gesicht hatte einen wächsernen Farbton angenommen.
    »Sie verfolgen irgendeinen Zweck mit dieser Vorstellung, nehme ich an?« bemerkte Romola gereizt. »Ich hasse Melodramatik. Hören Sie bitte mit dem Theater auf und erklären Sie uns, was das alles zu bedeuten hat.«
    »Ach, halt den Mund!« fuhr Fenella sie an. »Wenn du nichts Wichtiges zu sagen hast, sei still.«
    »Octavia Haslett starb im Arbeitszimmer«, verkündete Rathbone mit ruhiger, fester Stimme, die sich über jedes Rascheln und Murmeln im Raum hinwegsetzte.
    »Großer Gott!« Fenella wirkte trotz aller Fassungslosigkeit beinah amüsiert. »Das soll doch nicht heißen, Octavia hätte ihr Schäferstündchen mit dem Lakai auf dem Teppich im Arbeitszimmer gehabt? Wie grotesk - und unbequem, wo sie doch ein hervorragendes Bett hatte.«
    Beatrice wirbelte herum und schlug sie derart hart ins Gesicht, daß sie das Gleichgewicht verlor und gegen einen der Lehnstühle prallte.
    »Das hatte ich schon seit Jahren vor«, sagte Beatrice mit tiefer Genugtuung. »Wahrscheinlich ist es der einzige Lichtblick des heutigen Tages. Nein, du dummes Frauenzimmer! Es gab kein Schäferstündchen. Octavia kam dahinter, daß Basil Harry zum Anführer der Schlacht von Balaklawa gemacht hat, bei der so viele gefallen sind. Sie hatte das Gefühl, vollkommen besiegt in der Falle zu sitzen - wie jeder von uns. Sie nahm sich das Leben.«
    Der Raum versank in entsetztem Schweigen, bis Basil mit aschgrauem Gesicht vortrat und eine zitternde Hand erhob. Er machte einen letzten Versuch.
    »Das ist absolut unwahr. Der Kummer hat dich um den Verstand gebracht. Geh bitte auf dein Zimmer, ich werde den Arzt rufen. Um Himmels willen, Miss Latterly, stehen Sie nicht so herum, tun Sie etwas!«
    »Es ist wahr, Sir Basil.« Hester sah ihm in die Augen, zum erstenmal nicht als Untergebene, sondern als Gleichgestellte.
    »Ich war im Kriegsministerium und erfuhr dort, was mit Harry Haslett geschehen ist - wie Sie das Ganze eingefädelt haben -, und daß Octavia am Nachmittag vor ihrem Tod am selben Ort genau das gleiche zu hören bekommen hat.«
    Cyprian schaute
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher