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Gefährliche Stille

Gefährliche Stille

Titel: Gefährliche Stille
Autoren: Marcia Muller
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Knöchel.
Das Blut auf meiner Gesichtsseite und an meinem Hals war eingedickt, klebte am
Jackenkragen; mein Ohr pochte schmerzhaft. Die Luft war dumpf und kalt; an den
Wänden reihten sich winzige Eiszapfen.
    Einen Schritt. Noch einen. Stehen
bleiben und horchen. Schritt, Schritt, horchen. Und immer so weiter, ewig...
Sackgasse.
    Nein! Ich bin noch nicht weit genug
weg.
    Ich tastete hektisch nach einem
Schlupfloch. Massive Steinwand. Eine dunkle, unterirdische Falle, ein Dunkel,
so dicht, dass ich es fühlen konnte, hören, riechen. Sogar schmecken. Jetzt
wusste ich, woraus die Hölle bestand: nicht aus Feuer und Schwefel, sondern aus
endlosem, absolutem Dunkel.
    Reiß dich zusammen, geh zurück, schau,
ob du einen anderen Lavatunnel findest.
    Ich arbeitete mich zurück, kämpfte mit
Tränen der Wut und Enttäuschung. Dann sah ich zu meiner Rechten einen schwachen
Lichtschimmer. Ich wandte mich dorthin, krabbelte über ein halbmeterhohes
Hindernis und folgte dem zweiten Tunnel, der sich ebenfalls als Sackgasse
entpuppte. Nur, dass hier keine Decke war.
    Ich sah empor. Sterne. Der Mond.
Frische Luft. Freiheit. Vor Erleichterung sank ich gegen die kalte Steinwand.
Aber nicht für lange.
    Wo ist der Schütze ?
    Verschwunden, oder er hält am
Höhleneingang Wache. Wenn er mir hinterhergetappt wäre, hätte ich es gehört.
Besser jetzt auftauchen, da mir noch Stunden schützenden Dunkels blieben.
    Die Wand war glasig-glatt. Ich ging
wieder ein paar Schritte zurück, tastete herum, bis ich Vertiefungen fand, die
meinen Händen und Füßen Halt geben konnten. Kletterte los.
    Ein halber Meter, ein Meter, wutsch,
einen halben Meter zurück. Ein Meter, anderthalb Meter, wutsch, wieder ganz
unten.
    Ich schloss die Augen, versuchte, die
Verzweiflung in Wut umzuwandeln. Als ich genügend Grimm angestaut hatte, nutzte
ich ihn als Antrieb für den nächsten Versuch.
    Ein Meter, anderthalb Meter, Pause.
    Zwei Meter, zweieinhalb Meter — und
mein Kopf war auf Erdbodenniveau.
    Noch ein kleines Stückchen. Langsam und
vorsichtig. Ich schob mich hoch, spreizte die Arme auf dem rauen Boden. Ruhte
mich noch einmal aus, sammelte Kräfte. Stieß mich dann von der Wand hinter mir
ab und wälzte mich hinaus.
    Eine Stimme hinter mir sagte: »Wird
auch Zeit. Ich hab schon auf Sie gewartet.«
     
    Die Kälte, die mich erfasste, war
schlimmer als der Wind. Ich stützte mich auf alle viere hoch und drehte mich um
— ein in die Enge getriebenes Tier.
    Jimmy D. Bearpaw stand vor mir,
breitbeinig, ein Gewehr auf meinen Kopf gerichtet. Er grinste, als hätte gerade
jemand seine Speckeier gelobt.
    »Nicht damit gerechnet, dass ich diese
Lavafelder wie meine Westentasche kenne, was?«, sagte er.
    Ich sagte nichts. Wartete angespannt.
Fühlte das Gewicht der 45er an meiner Tasche zerren.
    »Aufstehen«, sagte Jimmy.
    Ich erhob mich langsam, versuchte, das
Ziehen der Waffe auszugleichen. Aber Jimmy bemerkte es, patschte mir auf die
Jackentasche, packte den Griff der 45er. »Gut vorbereitet, muss ich Ihnen
lassen.«
    Ich sah ihn meine letzte Hoffnung in
seinen Jeansbund stecken. Er grinste immer noch. Ich entspannte mich ein wenig.
Fragte: »Wo waren Sie gestern Abend?«
    »Hab Sie beobachtet.«
    »Warum sind Sie aus dem Haus
verschwunden, ehe wir
    kamen?«
    »Wollte Sie von ihrem Mann trennen,
aber Sie beide haben zusammengeklebt wie Pech und Schwefel. Ich war eh ziemlich
hinüber, also hab ich’s erst mal aufgegeben, als Sie weggefahren sind. Wo
steckt er eigentlich?«
    Er dachte also, Hy wäre immer noch da.
    »In der Lodge, ihm war schlecht. Wir
nehmen an, er hat etwas Verdorbenes gegessen.«
    Er runzelte die Stirn. »Nicht in meinem
Café.«
    »In einer Fernfahrerkneipe, ein Stück
den Highway runter. Als ich gegangen bin, war’s aber schon besser, und
inzwischen ist er sicher besorgt genug, um den Sheriff zu alarmieren.«
    Jimmy zuckte unbeeindruckt die Achseln.
»Was wollten Sie in Cinder Cone?«
    »Einfach nur ein bisschen herumstöbern.
Ich liebe Geisterstädte.«
    »Quatsch. Sie sind Privatdetektivin,
den ganzen Weg von Frisco hier raufgekommen, und jemand sehr Wichtiges
interessiert sich für Sie. Das war nie und nimmer ein Sightseeing-Trip.«
    »Wer ist dieser Jemand?«
    »Da kommen Sie nie drauf, und ich sag’s
Ihnen nicht.«
    »Haben Sie mich in Cinder Cone auch
beobachtet?«
    »Nicht aus der Nähe.«
    »Warum nicht? Sie hätten mich doch dort
schnappen können.«
    »Hab schlechte Erinnerungen an den Ort.
Hab mir gedacht, ich warte,
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