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Gefährliche Praxis

Gefährliche Praxis

Titel: Gefährliche Praxis
Autoren: Amanda Cross
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Ein wirklich kluger Anwalt (und sie nehmen an, daß ich mir den ohne Probleme leisten kann) würde das, was sie bisher gegen mich haben, praktisch in der Luft zerreißen. Für mich entstehen daraus folgende Probleme: Welche Auswirkungen wird die Sache für mich beruflich haben – ich ziehe vor, das vorerst zu ignorieren. Und: Solange sie glauben, daß ich es war, werden sie wenig tun, um den wahren Täter zu finden. In dem Fall ist dann so oder so das Urteil über mich schon gesprochen.«
    Eine große Welle der Bewunderung und Zuneigung erfaßte Kate für diesen zutiefst intelligenten und ehrlichen Mann. Niemand wußte besser als sie (oder vielleicht auch Nicola?), wie sehr es ihm an dem mangelte, was die kleinen alltäglichen Anforderungen an eine persönliche Beziehung anging, aber tief in seinem Innern spürte sie eine jeder Krise standhaltende Wahrhaftigkeit, eine Integrität, die nichts und niemand würde zerbrechen können. Sie war alt genug, um zu wissen: Wenn man jemandem begegnet, der über Intelligenz und Integrität gleichermaßen verfügte, dann hat man das große Los gezogen.
    »Mich wundert, daß sie dich weiter deine Patienten empfangen lassen, sogar heute«, sagte Nicola mit sarkastischem Unterton. »Es könnte dich doch wieder überkommen, da wir das offensichtlich als Symptom deines Berufes ansehen sollen, und du könntest ein weiteres Opfer erdolchen. Würden sie dann nicht schön dumm dastehen?«
    »Im Gegenteil«, sagte Kate unbeschwert. »Dann hätten sie den Fall doch im Kasten. Ich könnte mir vorstellen, daß sie sogar darauf hoffen und damit der letzte Zweifel weggewischt wäre, denn auch sie haben, auf ihre bläßliche methodische Art, wohl tief in sich die Vermutung, daß Emanuel es vielleicht nicht gewesen sein könnte.« Emanuels Blick traf den ihren, dann schlug sie die Augen nieder, aber er hatte das Vertrauen in ihnen gesehen, und das hatte ihn gestärkt.
    »Die Ironie der Geschichte, die selbst einen Shakespeare zum Heulen brächte«, sagte Emanuel, »ist, daß das Mädchen vor kurzem sehr wütend wurde, es fand also eine Übertragung statt. Als sie die heutige Stunde absagte, nahm ich an, daß es deswegen sei, und war nicht weiter überrascht. Wie schlau wir uns manchmal vorkommen!«
    »Hat sie dich angerufen, um den Termin abzusagen?«
    »Ich habe nicht mit ihr selbst gesprochen, aber das ist bei normalem Verlauf der Dinge auch nicht verwunderlich. Jedenfalls erfuhr ich um fünf vor elf, daß beide, sie und der Zwölf-Uhr-Patient – der dann später doch auftauchte und Nicki in die Situation brachte, die Leiche zu finden –, ihre Termine abgesagt hatten.«
    »Ist das nicht etwas ungewöhnlich?«
    »Eigentlich nicht. Normalerweise passiert es zwar selten, daß gleich zwei Patienten hintereinander absagen, aber es kann vorkommen. Manchmal treffen Patienten auf solch eine Masse schwieriger Probleme, daß sie ihnen für eine Weile ausweichen. Das kommt im Verlauf jeder Analyse vor. Oder sie reden sich ein, daß sie sich zu müde fühlen, daß sie zu beschäftigt sind oder zu aufgeregt. Freud hat das schon sehr früh erkannt. Das ist einer der Gründe, warum wir unseren Patienten die verabredeten Stunden berechnen, auch wenn sie scheinbar – oder wirklich – eine ganz und gar einleuchtende Entschuldigung haben. Leute, die von der Psychiatrie nichts wissen, sind immer ganz schockiert und glauben, wir wollten nur Geld scheffeln, aber dieser ganze Mechanismus des Bezahlens und sogar der finanziellen Opfer, die für eine Analyse zu bringen sind, bilden einen wichtigen Teil der Therapie.«
    »Wie hast du denn um fünf vor elf erfahren, daß beide abgesagt hatten?«
    »Ich habe das Fernsprechamt angerufen, und sie haben es mir gesagt.«
    »Das Fernsprechamt macht für dich den Auftragsdienst? Rufst du jede Stunde dort an?«
    »Nein, nur wenn ich weiß, daß ein Anruf eingegangen ist.«
    »Du meinst, während du mit einem Patienten sprachst, hat das Telefon geläutet, und du bist nicht drangegangen?«
    »Das Telefon läutet nicht; es hat ein gelbes Lämpchen, das statt dessen aufleuchtet. Der Patient kann das von der Couch aus nicht sehen. Wenn ich nach dreimal Läuten bzw. Aufleuchten nicht abhebe, meldet sich der Auftragsdienst. Natürlich unterbreche ich nie einen Patienten, um ans Telefon zu gehen.«
    »Konntest du erfahren, wer mit dem Auftragsdienst gesprochen und die Termine abgesagt hat? Waren es ein Mann und eine Frau, oder war es einer für beide oder was?«
    »Ich habe
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