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Gefaehrliche Liebe

Gefaehrliche Liebe

Titel: Gefaehrliche Liebe
Autoren: Suzanne Collins
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beiden Familien, und er weigert sich, auch nur das kleinste bisschen anzunehmen. Selbst das Fleisch von mir zu nehmen, kostet ihn Überwindung, obwohl er ganz bestimmt für meine Mutter und Prim gesorgt hätte, wenn ich bei den Spielen getötet worden wäre. Ich sage ihm, dass er mir damit einen Gefallen tut und dass es mich verrückt machen würde, den ganzen Tag herumzusitzen. Trotzdem bringe ich das Fleisch nie vorbei, wenn er zu Hause ist. Was kein Problem ist, da er täglich zwölf Stunden arbeitet.
    Ich bekomme Gale jetzt nur noch sonntags zu Gesicht, wenn wir uns im Wald treffen, um gemeinsam zu jagen. Das ist immer noch der beste Tag der Woche, aber nicht mehr so wie früher, als wir uns alles erzählen konnten. Selbst das haben die Spiele kaputt gemacht. Ich hoffe immer noch, dass wir eines Tages wieder so ungezwungen zusammen sein können, doch im Grunde weiß ich, dass das nicht geht. Es gibt kein Zurück.
    Die Fallen bringen gute Beute - acht Kaninchen, zwei Eichhörnchen und einen Biber, der in ein Drahtgeflecht geschwommen ist, das Gale erfunden hat. Im Fallenstellen ist er einfach genial. Er befestigt sie an heruntergebogenen jungen Bäumen, sodass Raubtiere nicht an die Beute herankommen, er tarnt feine Auslösemechanismen mit schweren Ästen und webt undurchdringliche Reusen zum Fangen von Fischen. Während ich durch den Wald gehe und jede Falle sorgfältig wieder aufstelle, weiß ich, dass mein Blick für die Balance nie an seinen heranreichen wird, an seinen Instinkt dafür, wo das Beutetier den Weg kreuzt. Das ist mehr als Erfahrung. Er ist ein Naturtalent. So wie ich noch bei fast völliger Dunkelheit auf ein Tier zielen und es mit einem einzigen Pfeil treffen kann.
    Als ich wieder an dem Maschendrahtzaun bin, der Distrikt 12 umgibt, steht die Sonne schon recht hoch am Himmel. Wie immer lausche ich kurz, doch kein verräterisches Summen von elektrischem Strom ist zu hören. Eigentlich hört man es fast nie, obwohl der Zaun rund um die Uhr unter Strom stehen müsste. Ich zwänge mich durch die Lücke unter dem Zaun und komme auf der Weide heraus, nur einen Steinwurf von zu Hause entfernt. Meinem alten Zuhause. Wir dürfen es behalten, weil es offiziell für meine Mutter und meine Schwester bestimmt ist. Wenn ich jetzt tot umfallen würde, müssten sie dorthin zurückkehren. Doch zurzeit sind sie beide glücklich im neuen Haus im Dorf der Sieger untergebracht, und ich bin die Einzige, die das gedrungene Häuschen benutzt, in dem ich aufgewachsen bin. Für mich ist es mein eigentliches Zuhause.
    Jetzt gehe ich dorthin, um mich umzuziehen. Tausche die alte Lederjacke meines Vaters gegen einen feinen Wollmantel, der mir an den Schultern immer zu eng vorkommt. Die weichen, ausgetretenen Jagdstiefel gegen ein Paar teurer, maschinell gefertigter Schuhe, die meine Mutter für jemanden in meiner Stellung angemessener findet. Pfeil und Bogen habe ich in einem hohlen Baumstamm im Wald verstaut. Obwohl die Zeit drängt, setze ich mich für ein paar Minuten in die Küche. Sie wirkt verlassen ohne Feuer im Herd und ohne Tischtuch. Ich trauere meinem alten Leben nach. Wir kamen kaum über die Runden, aber ich wusste, wohin ich gehörte, ich wusste, wo mein Platz in dem festen Gefüge unseres Lebens war. Ich würde gern dorthin zurückkehren, im Nachhinein kommt es mir so sicher vor im Vergleich zu jetzt, da ich so reich bin und so verhasst bei den Machthabern im Kapitol.
    Ein Maunzen an der Hintertür lässt mich aufhorchen. Ich mache auf, und da steht Butterblume, Prims räudiger alter Kater. Ihm gefällt das neue Haus so wenig wie mir, und wenn meine Schwester in der Schule ist, verzieht er sich immer. Wir konnten uns nie besonders gut leiden, doch die Abneigung gegen das neue Haus verbindet uns. Ich lasse ihn herein, gebe ihm ein Stück Biberfett und kraule ihn sogar ein bisschen zwischen den Ohren. »Du bist hässlich, das weißt du, oder?«, sage ich. Butterblume stupst gegen meine Hand, er will weiter gestreichelt werden, aber wir müssen los. »Na komm.« Ich hebe ihn mit einer Hand hoch, greife mit der anderen meine Jagdtasche und nehme beide mit hinaus auf die Straße. Der Kater befreit sich mit einem Satz und verschwindet unter einem Busch.
    Die Schuhe drücken an den Zehen, während ich über den Ascheweg gehe. Ich nehme die Abkürzung durch kleine Gassen und Hintergärten und bin im Nu bei Gales Haus. Seine Mutter Hazelle steht am Waschbecken in der Küche und sieht mich durchs Fenster. Sie trocknet
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