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Gefaehrliche Liebe

Gefaehrliche Liebe

Titel: Gefaehrliche Liebe
Autoren: Suzanne Collins
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die Größenordnung nie richtig begriffen habe. Aber das sollte ich ja auch gar nicht. Mir fällt ein, wie Haymitch meinen Plan, aus Distrikt 12 zu fliehen und meinen eigenen Aufstand zu machen, und die bloße Idee, Distrikt 13 könne existieren, verspottet hat. Nichts als List und Täuschung. Wenn er das hinter seiner Maske aus Sarkasmus und Trunkenheit so überzeugend und lange tun konnte, worüber hat er dann noch gelogen? Ich weiß, worüber.
    »Peeta«, flüstere ich, und das Herz rutscht mir in die Hose.
    »Die anderen haben Peeta gerettet, weil wir wussten, dass du das Bündnis aufgekündigt hättest, wenn er gestorben wäre«, sagt Haymitch. »Und wir konnten nicht das Risiko eingehen, dich ohne Schutz zu lassen.« Seine Worte sind sachlich, seine Miene ist unverändert, nur die Graufärbung im Gesicht kann er nicht verbergen.
    »Wo ist Peeta?«, fauche ich ihn an.
    »Er wurde zusammen mit Johanna und Enobaria vom Kapitol geschnappt«, sagt Haymitch. Endlich hat er den Takt, seinen Blick zu senken.
    Objektiv gesehen bin ich unbewaffnet. Aber man sollte nicht unterschätzen, welchen Schaden man mit Fingernägeln anrichten kann, besonders wenn das Opfer nicht darauf vorbereitet ist. Mit einem Satz springe ich über den Tisch und grabe meine Nägel in Haymitchs Gesicht, Blut quillt hervor, und ein Auge wird verletzt. Dann schreien wir einander schreckliche, wirklich schreckliche Dinge entgegen, während Finnick versucht, mich fortzuzerren, und ich weiß, dass Haymitch seinen ganzen Willen aufbringen muss, um mich nicht in Stücke zu reißen, doch ich bin der Spotttölpel. Ich bin der Spotttölpel, und es ist so schon schwer genug, mein Leben zu retten.
    Andere Hände kommen Finnick zu Hilfe, und kurz darauf liege ich wieder auf meinem Tisch, den Körper festgeschnallt, die Handgelenke festgebunden, und deshalb schlage ich vor Wut immer und immer wieder mit dem Kopf gegen den Tisch. Eine Nadel bohrt sich in meinen Arm, und mein Kopf tut so weh, dass ich aufgebe und nur noch entsetzlich vor mich hin jaule, wie ein sterbendes Tier, bis meine Stimme versagt.
    Das Beruhigungsmittel zeigt Wirkung, doch ich schlafe nicht, ich dämmere vor mich hin, bin für immer - oder so kommt es mir vor - gefangen in einem verschwommenen, dumpf schmerzenden Elend. Sie stecken mir wieder ihre Schläuche in den Arm und sprechen beruhigend auf mich ein, doch ihre Stimmen erreichen mich nicht. Ich kann nur an Peeta denken, der irgendwo auf einem ähnlichen Tisch liegt, während sie versuchen, seinen Willen zu brechen und Informationen aus ihm herauszupressen, die er gar nicht hat.
    »Katniss. Katniss, es tut mir leid.« Finnicks Stimme kommt von dem Bett neben mir und schiebt sich in mein Bewusstsein. Vielleicht, weil wir einen ähnlichen Schmerz empfinden. »Ich wollte zurück und ihn und Johanna holen, aber ich konnte mich nicht bewegen.«
    Ich gebe keine Antwort. Finnicks gute Absichten haben keinerlei Bedeutung.
    »Er ist besser dran als Johanna. Die werden bald merken, dass er nichts weiß. Und sie werden ihn nicht töten, solange sie denken, sie können ihn gegen dich einsetzen«, sagt Finnick.
    »Als Köder?«, sage ich zur Zimmerdecke. »So, wie sie Annie als Köder benutzen werden, Finnick?«
    Ich höre ihn weinen, aber das ist mir egal. Wahrscheinlich werden sie sie nicht mal befragen, sie ist schon zu weit abgedriftet. Seit damals bei ihren Spielen. Sehr gut möglich, dass ich auf dem gleichen Weg bin. Vielleicht bin ich schon dabei, verrückt zu werden, und keiner hat den Mut, es mir zu sagen. Verrückt genug fühle ich mich.
    »Wenn sie doch nur tot wäre«, sagt er. »Wenn sie alle tot wären und wir auch. Das wäre das Beste.«
    Tja, darauf weiß ich keine Antwort. Ich kann es auch schlecht bestreiten, schließlich bin ich eben noch mit einer Spritze rumgerannt, um Peeta zu töten. Will ich wirklich, dass er tot ist? Am liebsten ... am liebsten hätte ich ihn wieder. Aber ich werde ihn nie mehr wiederhaben. Selbst wenn die Rebellentruppen das Kapitol irgendwie stürzen könnten, wäre es garantiert Präsident Snows letzte Tat, Peeta die Kehle durchzuschneiden. Nein. Ich werde ihn nie mehr zurückbekommen. Also ist tot das Beste.
    Weiß Peeta das oder wird er weiterkämpfen? Er ist so stark und kann so gut lügen. Ob er glaubt, dass er eine Chance hat? Bedeutet ihm das Überleben überhaupt etwas? Er hat sowieso nicht damit gerechnet. Er hatte schon mit dem Leben abgeschlossen. Wenn er erfährt, dass ich gerettet wurde,
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