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Gefaehrliche Kaninchen

Gefaehrliche Kaninchen

Titel: Gefaehrliche Kaninchen
Autoren: Kirsten John
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er vorbei und repariert euch alles, was zu reparieren ist.«
    Max schüttelt den Kopf. »Das ist gar nicht so wichtig«, grinst er. »Ich wollte nur, dass meine Eltern eine Liste machen von allem, was kaputt oder nicht dicht ist, was erneuert werden muss oder neu gestrichen. Sie sind richtig blass geworden, als die Liste immer länger und länger geworden ist. Mama hat gesagt, da wäre so viel zu machen, da könnte sie ebenso gut gleich neu bauen.« Er strahlt Leonie an.
    Die ist noch nicht überzeugt. »Ich kann mir trotzdem nicht vorstellen, dass das klappt. Erwachsene tauschen ihre Häuser nicht so einfach.«
    »Ich hab ja gesagt, dass es nicht einfach werden würde. Und es braucht ein bisschen Zeit.«
    Zeit, die sie nicht haben.
    Als Max an diesem Tag nach Hause kommt, wird er gleich ins Wohnzimmer gerufen. Und es klingt ernst.
    Max streift seine Schuhe ab und nimmt die Plastiktüte, die Leonie ihm gegeben hat. Sie raschelt gefährlich, wie die Büsche unten am Bach, in denen sich die Kaninchen verstecken. In seinen Ohren rauscht es und ein Klumpen hat sich in seinem Magen gebildet.
    »Setz dich, Schatz«, sagt seine Mutter und zeigt auf das Sofa. »Dein Vater und ich müssen mit dir reden.«
    Max schüttelt stumm den Kopf. Nein, er möchte lieber stehen. Und er möchte das auch nicht hören.
    »Gut, wie du willst. Also, du hast vielleicht schon bemerkt, dass dein Vater und ich …«
    Max schaltet ab. Er steht noch da, die Tüte in der Hand, in Socken, während die Worte an ihm vorbeirauschen. Worte wie Trennung, vorübergehend, nur für kurze Zeit, ausziehen, nachdenken müssen, zur Ruhe kommen, verstehen, nichts Endgültiges. Max steht da mit seiner Tüte, in der sein Plan ist, sein großes Tauschprojekt. Die Höhle, denkt er, die Höhle gegen die Kaninchen, die Burg gegen die Riesen, es war alles umsonst. In seinen Ohren rauscht das Wasser. Spitze Zähne nagen in seinem Inneren.
    »Hast du mich verstanden?«
    Max nickt. Was gibt es daran nicht zu verstehen?
    »Und willst du dazu noch etwas sagen?«
    Wie können sie nur? Ausgerechnet jetzt, wo alles gerettet, die Welt wieder in Ordnung gebracht wird.
    »Du musst doch irgendeine Meinung dazu haben«, sagt sein Vater, der bislang geschwiegen hat.
    In Max tobt es. Er ist wütend und ohnmächtig zugleich, aber vor allem ist er enttäuscht. Und so müde. Also schüttelt er nur den Kopf. Nie wieder wird er seinen Mund aufmachen können, nie wieder. Es ist zu anstrengend. Die Riesen haben die Burg überrannt, den Damm geflutet. Kaninchen, wohin das Auge blickt. Wortlos streckt er seiner Mutter die Tüte mit den geliehenen Büchern und den Unterlagen über das Wohnprojekt entgegen.
    »Für mich? Danke. Und was ist das?«
    Dann dreht er sich um, ohne Antwort zu geben. Manche schreien, wenn etwas Schreckliches passiert: Tobias hat das gesagt. Tristan auch. Selbst kleine Kaninchen schreien, wenn Krähen sie jagen. Andere wiederum sind leise bis zum Schluss.
    »Nun mach schon auf.« Stunden kauert Leonie nun schon vor der Zimmertür von Max, zumindest kommt es ihr so vor. Ab und an presst sie ihr Ohr dagegen, doch nichts. Es ist so leise, dass sie schon fast bezweifelt, dass sich irgendjemand dahinter befindet. »Wir machen einen neuen Plan«, flüstert sie durchs Schlüsselloch. Nichts regt sich.
    Leonie seufzt. Sie geht die Treppe zu Max’ Eltern hinunter. Langsam tut sie das, bedächtig. Sie nimmt Stufe für Stufe, betrachtet dabei die Diplome, die Urkunden, die Kinderzeichnung von Max. Max hat drei Männchen gemalt mit Strichen als Fingern: Er muss noch klein gewesen sein, als er das zeichnete. Alle Strichmännchen sind unterschiedlich groß, und unter das größte hat jemand »Max« geschrieben. Die anderen beiden haben keine Namen.
    Die letzten drei Stufen hüpft Leonie und kommt schwer mit beiden Beinen auf. Sie kauert noch einen kurzen Moment am Fuß der Treppe, dann atmet sie tief durch und richtet sich auf.
    »Nichts zu machen«, sagt sie und fühlt sich wie eine Verräterin. Ausgerechnet Max’ Eltern Bericht erstatten zu müssen, wo die doch schuld sind an allem!
    »Redet er?«, will sein Vater wissen. Er hat die Hände hinter dem Rücken verschränkt und nimmt seine Wanderung durchs Zimmer wieder auf, als Leonie verneint.
    Max’ Mutter trägt ihre Lesebrille und sitzt in ihrem Sessel am kalten Kamin. Sie blättert in den Unterlagen, die Leonie gut kennt, weil sie sie besorgt hat. Nun, dafür ist es jetzt zu spät.
    »Wie geht es deinem Vater? Was macht sein
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