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Gefaehrliche Kaninchen

Gefaehrliche Kaninchen

Titel: Gefaehrliche Kaninchen
Autoren: Kirsten John
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Straßenseite hält sich schützend eine Hand über die Augen, weil das Licht ihn blendet. Mit der anderen umklammert er die Zeitung. »Was … wer …«, stammelt er. Er muss einen Mordsschrecken bekommen haben, als plötzlich zwei Büsche lebendig geworden sind und ihn anstrahlen. »Ist das nicht … Peter? Luise? Seid ihr das?«
    Jetzt richtet auch Max sich auf, obwohl er kaum über den Busch hinwegsehen kann, der ihn noch dazu unter dem Kinn kitzelt. »Ihr kennt den Zeitungsdieb?«, fragt er und kämpft mit einigen Zweigen, um sie unten zu halten.
    »Allerdings«, sagt seine Mutter. »Nun nimm schon die Lampe runter, Peter. Das ist schließlich mein Chef.«

11. Kapitel

    Wie nennt man das doch gleich, wenn man das Gefühl hat, dieselbe Situation schon einmal erlebt zu haben? Deschavü, oder so.
    Max hat ein Deschavü, und zwar ein starkes. Er schaut hinunter auf den Teller.
    »Das kann ich nicht essen«, sagt er.
    Seine Mutter starrt ihn an. »Das ist ein Käsebrötchen , Max.«
    »Ja«, sagt Max, »aber das kann ich nicht essen.« Der Käse wellt sich und die Kiwi, die darauf liegt, hat einen grün-wässerigen Rand hinterlassen. Eindeutig ein übrig gebliebenes Brötchen: Max kennt den Anblick.
    Seine Mutter nimmt ihm den Teller weg und stellt ihm stattdessen ihren hin. Der ist noch leer. »Er ist Vegetarier«, sagt sie.
    »Aha«, macht Herr Haubenbrecht verwirrt.
    »Na dann«, sagt seine Frau.
    Auf dem Frühstückstisch der Haubenbrechts wimmelt es von übrig gebliebenen Brötchen mit welligem Aufschnitt und müdem Obst. »Die Germanisten«, hat Herr Haubenbrecht erklärt. »Die hatten gestern ein Wochenendseminar.«
    Germanisten essen anscheinend gar nichts, weder Hummer noch Käsebrötchen, der Menge nach zu urteilen, die übrig geblieben ist.
    »Sie haben zu viel bestellt«, erklärt Herr Haubenbrecht, als hätte er Max’ Gedanken gehört. »Und da wir gleich nebenan eine Sitzung hatten …« Er spricht nicht weiter, sondern zuckt mit den Schultern.
    Max beugt sich unwillkürlich vor, doch es kommt nichts mehr. Das macht er öfter, der Herr Haubenbrecht, dies Weglassen. Er scheint nie fertig zu werden mit dem, was er sagt. Vielleicht hat er das Ende des Satzes schon vergessen, wenn er vorne angefangen hat?
    »Und ihr beide seid hier, weil …«, sagt oder fragt er jetzt an die Eltern von Max gerichtet.
    »Wir wohnen vorübergehend bei den Wagners. Na ja, vorübergehend ist zu viel gesagt, eigentlich haben wir da nur übernachtet weil …, weil …« Max’ Vater schaut hilflos zu seiner Frau, die rasch in das Käsebrötchen beißt, um nicht antworten zu müssen.
    »Weil wir den Zeitungsdieb fangen wollten«, beendet Max den Satz.
    »Ach so, das.« Herr Haubenbrecht wird tatsächlich rot. »Das sollte ich vielleicht …?«
    »Erklären«, ergänzt Max. Das wird ein anstrengendes Gespräch, wenn er jetzt alle Sätze der Erwachsenen zu Ende führen muss.
    »Also, die Wagners.« Herr Haubenbrecht setzt sich endlich. »Also, die sind schon irgendwie …«
    Wieder diese Pause.
    »Nett? Laut? Chaotisch? Viele?«, ergänzt Max hilfreich und nickt Herrn Haubenbrecht ermutigend zu. Der Ärmste hat wahrscheinlich eine Sprachbehinderung.
    »Ja, das alles«, lächelt Herr Haubenbrecht schwach. Er macht keine Anstalten, selbst eins seiner pappigen, durchweichten Brötchen zu essen. »Obwohl, nett …«
    Max richtet sich drohend auf.
    »Ich habe so meine Schwierigkeiten mit der Familie, das muss ich zugeben, junger Mann. Sie machen meine Frau verrückt, sie machen mich verrückt und sie machen Olli verrückt.«
    Olli ist der Dackel. Der musste bei der Ankunft von Max und seinen Eltern ins Schlafzimmer gesperrt werden, weil er sich immer so »aufregt«. So zumindest hat es Frau Haubenbrecht ausgedrückt. Eigentlich will er nur jeden in die Fersen beißen.
    »Das mit den Zeitungen«, fährt Herr Haubenbrecht fort, »das ist natürlich kindisch. Das weiß ich auch.« Er wirft Max’ Mutter einen schnellen Blick zu und wird wieder rot. »Ein kindischer, kleinkarierter Racheakt. An den ich mich irgendwie gewöhnt habe, als nichts passierte, mich niemand erwischt hat. Und jetzt gehe ich halt jeden Morgen rüber und hole die Zeitung. Kindisch. Ich weiß.«
    Es wird einen kurzen Augenblick still am Tisch.
    »Warum heißt der Dackel Olli?«, fragt Max dann. Er kann Olli an der Schlafzimmertür kratzen hören, weil er raus und sich aufregen will.
    »Was? Ach so, Olli. Wegen Oliver Kahn, der war ein berühmter Torwart.«
    Max
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