Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefährliche Freiheit

Gefährliche Freiheit

Titel: Gefährliche Freiheit
Autoren: Margaret Peterson Haddix
Vom Netzwerk:
diesen Fremden zu offenbaren, die auf seiner Seite stehen mochten oder auch nicht.
    Was ist, wenn sie auch nicht mehr Loyalität besitzen als der Junge in der Hütte?
    Luke konnte sich gut vorstellen, wie alle im Raum in entsetztes Schweigen fielen und jemand auf ihn losging, um ihn zusammenzuschlagen. Zu töten. Schließlich trug er immer noch die Uniform der Bevölkerungspolizei.
    Er trat in den Schatten des Waldes und zog trotz der Kälte sein Hemd aus. Er drehte es auf links, zog es wieder an und knöpfte die Vorderseite zu. Es war nicht leicht, das gewendete Hemd von innen nach außen zuzuknöpfen, denn seine Finger wurden in der Kälte allmählich taub. Doch als er das Abzeichen der verhassten Bevölkerungspolizei versteckt hatte, fühlte er sich besser.
    Hinter sich hörte er eine Tür aufgehen, also duckte er sich zwischen das Unkraut und drehte sich um. Es war nur der Junge, der sich von der Hütte zu dem Haus schlich, in dem gefeiert wurde. Luke beobachtete ihn und fragte sich, wie der Junge aus einem abgeschlossenen Haus voller Menschen Essen beschaffen wollte. Der Junge glitt unter ein Fenster, dem mehrere Glasscheiben fehlten. Einige der Scheiben hatte man durch Plastikstücke ersetzt, andere mit Quadraten aus Karton. Er drückte gegen eine der Kartonscheiben und schob seine Finger unter dem Rand hindurch.
    Selbst aus der Ferne konnte Luke das triumphierende Lächeln auf dem Gesicht des Jungen erkennen. Luke vermutete, dass er mit der Hand in einer Schüssel voller Delikatessen gelandet war – Rosinen vielleicht oder Mandeln. Doch dann veränderte sich der Ausdruck des Jungen.
    »Au!«, heulte er auf.
    Er schien seine Hand zurückziehen zu wollen, doch irgendwie hing sie fest. Die Eingangstür des Hauses ging auf und eine Horde Männer stürmte heraus und brüllte: »Ein Dieb, ein Dieb!« Sie rannten um das Gebäude herum, zogen den Jungen vom Fenster weg und warfen ihn zu Boden. Nun schrien alle durcheinander. Ein Mann tobte: »Das ist der gestohlene Umhang von Mary« und die anderen riefen: »Bevölkerungspolizei! Wir zeigen der Bevölkerungspolizei, wer hier die Oberhand hat!«
    »Nein, wartet!«, schrie der Junge. »Ich bin auf eurer Seite! Ich bin der Junge, der sich geweigert hat, die alte Frau zu erschießen! Durch mich seid ihr an die Pistole gekommen –«
    »Ich zeig dir die Pistole!«, schrie jemand und die anderen traten einen Schritt zurück, während einer der Männer eine Waffe aus der Tasche zog und hochhielt, so dass sie im letzten Tageslicht aufleuchtete.
    Der Mann zielte direkt auf den Jungen, was die anderen zum Lachen brachte. Er trat vor, tat, als wollte er schießen, und ließ die Waffe im letzten Moment wieder sinken. Das machte er noch zwei- oder dreimal und die Männer um ihn herum lachten immer lauter, während sich der Junge vor Angst am Boden wand.
    »Schluss mit den Spielchen«, sagte der Mann da und hob die Waffe erneut. »Und Schluss mit der Bevölkerungspolizei!«
    Dieses Mal spannte er den Hahn und zielte richtig.
    Er meint es ernst, dachte Luke. Er drückt wirklich ab.
    »Nein, nicht!«, schrie er.
    Der Mann mit der Waffe hob überrascht den Kopf. Seine Augen suchten den dunklen Waldsaum ab. Dann zielte er auf den Baum, hinter dem sich Luke versteckte, und drückte ab.

 
10. Kapitel
     
    Luke rannte.
    Später würde er sich kaum noch an den Weg erinnern können, den er genommen hatte, an die Baumstämme, über die er gesprungen, und an das Unterholz, durch das er geprescht war. Sein Verstand hatte keine Zeit für solche nutzlosen Details. Die Angst und eine Stimme in seinem Kopf trieben ihn vorwärts: Sie sind dir auf den Fersen! Bestimmt folgen sie dir! Gleich haben sie dich! Sie werden wieder schießen und diesmal treffen sie nicht daneben! Da! Hast du das gehört? Was war das? Gleich packen sie dich –
    Er drehte sich nicht um, sah nicht zurück. Eine winzige Unaufmerksamkeit und er hätte gegen einen Baum laufen oder mit dem Fuß in eine Baumwurzel geraten können. Er war so überzeugt davon, geschnappt zu werden, dass er sich keine Gedanken darüber machte, wohin er rannte – er wusste nur, dass er fort musste.
    Deshalb überraschte ihn der Anblick des Berges: Die riesige Felswand ragte direkt vor ihm auf. Instinktiv wandte er sich nach rechts, dann zögerte er. War das –? Er entdeckte verräterische Risse im Fels, die zu einer Öffnung am Fuß des Berges führten. Endlich wagte er es, langsamer zu werden und einen Blick über die Schulter zu werfen – es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher