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Gefährliche Begierde

Gefährliche Begierde

Titel: Gefährliche Begierde
Autoren: Tess Gerritsen
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Evelyns sozialem Status schuldete.
    »Evelyn! Es tut mir sehr Leid, dass ich Sie hierher bestellen musste.« Er nahm freundschaftlich ihren Arm und drückte ihn mit einer beabsichtigt beruhigenden Geste, die Evelyn zusammenfahren ließ. »Es war sicher eine furchtbare Nacht für Sie, nicht wahr? Einfach schrecklich.«
    Evelyn zuckte mit den Achseln. Einerseits, um damit seine Frage zu beantworten und andererseits, um sich aus seinem Griff zu befreien.
    »Ich weiß, dass es schwer ist, mit so etwas zurechtzukommen. Und ich wollte Sie auch nicht damit behelligen, zumindest nicht heute. Aber Sie wissen ja, wie es ist. Die ganzen Berichte, die geschrieben werden müssen.« Er warf einen auffällig beifälligen Blick auf Chase. Wie Chase bemerkte, entging den scharfen Augen dieses kleinen Napoleons nichts.
    »Das ist Chase«, sagte Evelyn, während sie an ihrem Blusenärmel herumrieb, als wollte sie den Abdruck der Hand des Polizeichefs wegwischen. »Richards Bruder, er kam heute morgen aus Connecticut.«
    »Ach ja«, meinte Tibbetts. Seine Augen verrieten, dass er sich sofort an diesen Namen erinnerte. »Ich habe in der Turnhalle der Highschool ein Foto von Ihnen gesehen.« Er streckte Chase seine Hand entgegen. Sein Händedruck war beeindruckend fest und wirkte wie der Versuch eines Mannes, seine Körpergröße zu kompensieren. »Wissen Sie? Das im Baseball Trikot.«
    Chase schaute überrascht. »Das hängt immer noch da?«
    »Es ist die hiesige Hall of Fame. Warten Sie mal, Sie gehörten zum 1971er Jahrgang. Mittelfeld, Uni Basketball, ist das richtig?«
    »Ich bin überrascht, dass Sie das alles wissen.«
    »Ich habe selbst Basketball gespielt. Madison High School, Wisconsin. Rekordhalter im Freiwurf. Und nach Punktzahl.«
    Ja, jetzt sah Chase klar. Lorne Tibbetts, randalierender Zwerg auf dem Basketballfeld. Das hätte zu seinem knochenbrecherischen Handschlag gepasst.
    Plötzlich ging die Tür der Polizeistation auf. Eine Frau rief: »Hey, Lorne?«
    Tibbetts drehte sich um und wandte sich müde der Besucherin zu, die aussah, als sei sie gerade von der Straße herein geweht worden. »Wieder zurück Annie?«
    »Wie der sprichwörtliche Bumerang.« Die Frau packte ihre schäbige Tasche von einer Seite auf die andere. »Also, wann bekomme ich meine Erklärung, hm?«
    »Wenn ich etwas zu erklären habe. Nun hau ab.«
    Die Frau wandte sich unbeeindruckt an Evelyn. Die beiden hätten ein feines Paar für die Fotostrecke eines Modemagazins abgegeben. Das Vorher/Nachher-Modell.
    Mit den ungepflegten Haaren, im lumpigen Sweatshirt hätte unter Annies Fotos ganz sicher »Vorher« gestanden.
    »Mrs. Tremain?« sagte sie höflich, »Ich weiß, dass das jetzt nicht der richtige Augenblick ist, aber ich muss den Redaktionsschluss einhalten und würde gerne ein paar kurze Worte …«
    »Um Himmels Willen, Annie!« schnauzte Tibbetts. Er wandte sich an den diensthabenden Polizisten am Empfangstisch. »Ellis, schaff sie hier raus!«
    Ellis sprang auf wie ein Stehaufmännchen. »Komm Annie, beweg dich, es sei denn du willst deine Story im Knast schreiben.«
    »Ich geh ja schon. Ich geh ja schon.« Annie riss die Tür auf. Im Rausgehen hörte man sie meckern: »Jesus, die lassen ein Mädchen nicht mal seinen Job machen …«
    Evelyn schaute auf Chase. »Das war Annie Berenger. Eine von Richards Starreporterinnen. Jetzt allerdings Star-Nervensäge.«
    »Man kann ihr nichts vorwerfen«, mischte sich Tibbetts ein, »dafür bezahlen sie sie, oder nicht?« Er nahm Evelyns Arm. »Kommen Sie, wir fangen an. Ich führe sie in mein Büro, das ist der einzige ruhige Ort in diesem Affenkäfig.«
    Lornes Büro lag am Ende eines Ganges hinter einer Reihe von Räumen, die nicht größer waren als ein kleines Badezimmer. Fast jeder Quadratzentimeter war mit Möbeln vollgestellt: einem Tisch, zwei Stühlen, einem Bücherregal und Aktenschränken. In der Ecke wucherte unbeobachtet ein Farn. Trotz der vollgestopften Enge war alles sauber, die Regale abgestaubt und alle Papiere fein säuberlich im Ausgangskörbchen aufeinander gestapelt. An einer prominenten Stelle an der Wand hing ein Plakat mit folgendem Spruch: Je kleiner der Hund, desto größer der Kampf.
    Tibbetts und Evelyn saßen auf den beiden Stühlen. Ein dritter Stuhl wurde für die Sekretärin, die alles protokollieren sollte, gebracht. Chase stand an der Seite. Es tat gut zu stehen, gut, die verkrampften Beine auszustrecken.
    Zumindest für zehn Minuten fühlte es sich gut an. Dann sackte
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