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Gefährlich nah

Titel: Gefährlich nah
Autoren: C. Bertelsmann
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gleich was sie für Sorgen oder für Schulden hatte, sie glaubte immer fest daran, dass sich alles lösen würde.
    »Genau«, sagte Mum. »Wir werden mehr wissen, wenn wir nächste Woche zu diesem Termin gehen.«
    Ein Termin! Bestimmt ein Termin bei der Bank! Dann musste es wirklich schlimm sein. Kein Wunder, dass Sarah nicht wollte, dass Dad davon erfuhr.
    »Dann hole ich dich am Dienstag gegen neun ab, ja?«, sagte Sarah nun.
    »Und was ist mit Lucy?«, fragte Mum.
    »Na ja, Gary arbeitet dann, also könnte ich sie entweder bei Dad lassen, nehme ich an. Wir sagen einfach, wir gehen shoppen. Oder vielleicht nehme ich sie auch einfach mit. Das wäre kein Problem.«

    »Ich weiß«, sagte Mum. »Aber ich finde immer, dass Krankenhäuser nicht das Richtige sind für Babys. Man weiß nie, was sie sich da aufsammeln.«
    Krankenhäuser? Termin. Es ging also um ein medizinisches Problem, nicht um ein finanzielles. Aber warum? Sarah war doch nicht krank, oder? Und sie konnte doch nicht schon wieder schwanger sein. Nicht so bald.
    »Ja, da hast du recht«, sagte Sarah und gähnte dabei so laut, dass Hazel es hinter der geschlossenen Tür hören konnte.
    »Du gehst jetzt lieber ins Bett«, sagte Mum. »Du siehst völlig erledigt aus.«
    »Ja, es war alles ein kleiner Schock«, sagte Sarah und fügte in leichterem Tonfall hinzu: »Aber es wird alles gut werden. Du wirst schon sehen!«
    Die Bewegung, das Geräusch von Tassen, die zusammengeräumt wurden, ließen Hazel in ihr Zimmer fliehen. Sie war gerade wieder ins Bett gekrochen, als sie Sarah an ihrer Tür vorbei und ins Nachbarzimmer gehen hörte. Die Wände in dem alten Haus waren dick, aber Hazel konnte hören, wie ihre Schwester hin und her ging und sich zum Schlafen fertig machte. Und da war noch etwas, nicht nur die Bewegungen. Weinen, Sarah weinte. Leise, so als versuchte sie, es zurückzuhalten, so als hätte sie Angst, jemand könnte sie hören.
    Hazel setzte sich auf. Sollte sie rübergehen? Trotz des Altersunterschieds von zehn Jahren und der Tatsache, dass sie beide verschiedene leibliche Väter hatten, standen sie und Sarah sich sehr nahe. Sie sahen sich sogar ähnlich,
weil sie beide nach der Mutter kamen: eher klein, nicht dick, aber auch nicht gerade superschlank, mit großen Mündern und leicht eingedrückten Nasen, wodurch sie eher »interessant« als ausgesprochen hübsch aussahen. Sie verstanden sich normalerweise gut, allerdings nur in den hergebrachten Rollen. Sarah war »die große Schwester«, die Ratschläge gab oder tröstete, nicht diejenige, die getröstet wurde. Würde Sarah ihr sagen, was los war, oder würde sie nur sauer werden, dass Hazel gelauscht hatte?
    Einzelne Worte der Unterhaltung kamen ihr ins Gedächtnis. »Ein kleiner Schock.« »Sprechstunde.« Das war keine normale Sprechstunde beim Hausarzt, zu der sie da gingen. Es war ein besonderer Termin. Etwas Ernstes? Hatte es etwas mit Lucy zu tun? Die Geburt war nicht gerade einfach gewesen. Sarah hatte letztlich einen Kaiserschnitt bekommen. Der war angeblich gut verlaufen. Aber konnte es dabei irgendeine Nebenwirkung geben, eine Komplikation? Etwas so Angst Einflößendes, dass es Sarah zum Weinen brachte?
    Nie im Leben konnte sie bis nächste Woche warten, um das herauszufinden. Sie schwang die Beine über die Bettkante. Stand auf. Sie ging bereits auf die Tür zu, aber das Weinen hatte aufgehört. Es war still, vollkommen still. Vielleicht hatte Sarah sich in den Schlaf geweint. Vielleicht war es das Beste, Sarah überhaupt nicht zu fragen. Mum. Sie würde Mum bearbeiten. Morgen. Morgen früh, sobald Sarah fort war.

DREI
    Am Donnerstagmorgen stand Dee wie immer früh auf, damit sie in aller Ruhe das Bad benutzen konnte. Sie hatte geduscht und sich angezogen und war gerade erst in ihr Zimmer zurückgekommen, als es heftig an der Tür klopfte.
    »Ja«, sagte sie und blickte auf, als Kieran mit gesenktem Kopf, die Hände in den Hosentaschen vergraben, hereingeschlurft kam.
    »Äh«, sagte er. »Du könntest mir nicht zufällig ein bisschen Kohle borgen, oder?«
    »Warum? Wofür?«
    »Mittagessen.«
    »Gran hat uns doch gestern erst das Geld fürs Essen gegeben.«
    »Ich hab’s verloren.«
    »Na, dann nimm dein Geld vom Zeitungsaustragen.«
    »Geht nicht«, sagte Kieran. »Das ist auch weg. Ich glaub, mir ist der Geldbeutel aus der Tasche gefallen. Im Park oder so.«
    Die Erwähnung des Parks und die Art, wie Kieran ihrem Blick auswich, machten Dee aufmerksam.
    »Du hast alles
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