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Gefährlich nah

Titel: Gefährlich nah
Autoren: C. Bertelsmann
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ihren Ordner aus der Tasche und wünschte fast, sie hätte Hausaufgaben zu erledigen, etwas, das sie müde machen würde, sodass sie besser einschlafen konnte. Das würde nächste Woche besser werden, wenn die Schule richtig losging. Sie starrte ihren Stundenplan an und versuchte, sich die Räume, die Flure, den Grundriss der Schule und die verwirrende Anzahl von Leuten in Erinnerung zu rufen, der sie heute begegnet war - Hazel, Abbie - Abbie konnte man nicht so leicht vergessen! Ihr armer Ex, Sanjay. Joe mit seinem komischen Schnurrbart. Sean, Tasha und Dutzende von anderen, die sie noch so ungefähr vor sich sah, an deren Namen sie sich aber nicht erinnern konnte.
    Alles Leute, die sich offenbar schon seit Ewigkeiten kannten. Glücklicherweise schien es aber keine allzu große Cliquenbildung zu geben. Die meisten waren total
freundlich gewesen und hatten sie gleich überall beteiligen wollen, und sie hatte sich bei einer ganzen Menge Clubs und Arbeitsgemeinschaften eingetragen, alles, was sie ablenken konnte. Hazel und Joe hatten sie sogar überredet, sich für Mittwoch nach der Schule zum Badminton anzumelden.
    »Ich glaube nicht«, hatte Dee zunächst protestiert. »Ich bin total unsportlich.«
    »Gut«, sagte Hazel. »Dann bist du mit ein bisschen Glück schlechter als ich, dann kann Sanjay zur Abwechslung mal jemand anders anbrüllen. Er ist der Trainer der C-Mannschaft«, hatte sie erklärt. »Der totale Sportfreak. Aber keine Sorge, es ist kein ernsthaftes Anbrüllen. Alles nur zum Spaß.«
    Hazel hatte innegehalten und zu Abbie hinübergesehen.
    »Abbie wird dieses Jahr ja wohl kaum auftauchen. Schade. Du hättest sehen sollen, wie sie versucht zu spielen, ohne ihre Frisur durcheinanderzubringen oder sich die Nägel abzubrechen. Zum Totlachen.«
    Soweit Dee erkennen konnte, war für Hazel und Abbie alles einfach nur zum Lachen. Die beiden waren genau die richtigen Freundinnen für sie.
     
    Hazel lag im Bett und lauschte den Stimmen, die aus dem Wohnzimmer herüberdrangen. Sarah hatte beschlossen, über Nacht zu bleiben, was seltsam war, weil sie nichts getrunken hatte oder so. Sie hatte sogar kaum etwas gegessen. Mum im Übrigen auch nicht, aber das war nicht so ungewöhnlich, weil Mum sich geschworen hatte, mal
wieder auf Diät zu gehen, sobald die Ferien vorbei waren. Sie hatten beim Abendessen gesessen und über ziemlich normale Sachen geredet. Sarah hatte Hazel nach ihrem ersten Schultag ausgefragt und über Hazels Wiedergabe von Abbies Begeisterungsstürmen über ihren großen Schwarm gelacht.
    Man hätte kaum gemerkt, dass etwas nicht in Ordnung war, wenn Sarah nicht ein wenig blass gewesen wäre, und wenn beide, Mum und Sarah, nicht immer wieder auf die Uhr geschaut hätten. Dad war dann wie üblich früh, so gegen zehn, zu Bett gegangen. Hazel hatte den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden und war zehn Minuten später ebenfalls nach oben gegangen, sodass Sarah alleine mit Mum zurückblieb. Dumm nur, dass sie sich entschlossen hatten, im Wohnzimmer direkt unter Hazels Zimmer zu sitzen, denn nun hinderten sie Hazel am Schlafen. Sie redeten jetzt schon seit über einer Stunde!
    Nicht dass Hazel irgendetwas wirklich Vernünftiges hätte hören können. Nur von Zeit zu Zeit drang ein einzelnes Wort bis zu ihr hinauf. Sie dachte, sie hätte ihren Namen ein paar Mal gehört. Sie hörte ihn noch einmal. Warum? Warum sprachen die beiden über sie? Sie stand auf und ging durchs Zimmer und verfluchte dabei die knarrenden Dielen und öffnete die Tür. Sie schlich bis zur Treppe und ging leise fast bis nach unten. Die Wohnzimmertür war geschlossen, aber sie konnte die beiden ziemlich deutlich hören.
    »Ich glaube, du hast recht«, sagte Mum gerade. »Es ist das Beste, erst einmal keinem was davon zu erzählen.
Höchstens vielleicht Gary. Aber nicht deinem Dad und ganz bestimmt nicht Hazel.«
    Warum? Was durfte Gary wissen, aber nicht sie oder ihr Dad? Hazel ging näher in Richtung Wohnzimmer. Sie wusste, dass sie das nicht tun, nicht lauschen sollte, aber sie konnte nicht anders. So war sie schon immer gewesen. Schon als Kind. Damals hatte sie die schreckliche Wahrheit über den Weihnachtsmann erfahren, indem sie oben an der Treppe stand und lauschte, während sie eigentlich im Bett sein sollte.
    »Vielleicht werden wir es ihnen nie sagen müssen«, sagte Sarah. »Es könnte ja weniger ernst sein, als wir im Moment glauben.«
    Typisch Sarah. Sie lebte ständig in einem seligen Zustand der Verdrängung. Ganz
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