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Gefaehrlich begabt

Gefaehrlich begabt

Titel: Gefaehrlich begabt
Autoren: Simone Olmesdahl
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ihr Bauchgefühl konnte sie sich bisher immer verlassen.
    Eva schloss die Augen, das Flackern der Kerzen nahm sie nur am Rande wahr. Die Stimme ihrer Gabe sang normalerweise laut und deutlich, es fiel ihr nicht schwer, ihr zu folgen. Heute musste sie tiefer in sich gehen, um die Melodie zu hören. »Frank, bist du hier? Ich muss mit dir sprechen.« Ihr geistiges Auge betrat mit den ersten Worten die Schattenwelt.
    In dem wohlig warmen Dunkel erkannte sie nur die nahe Umgebung, bevor sich die Ewigkeit in der Schwärze verlor. Trotzdem kam Eva gern hierher, die Schatten hatten etwas Beruhigendes an sich. Sie flüchtete aus der Welt. Einige Seelen durchquerten ihr Blickfeld, es handelte sich um die Schatten derer, die sich noch im Übergang befanden.
    »Frank? Bitte komm zu mir, folge dem Licht!«
    Eva traf die Toten immer in der Schattenzone. Einen Geist in ihre Welt zu rufen, konnte mitunter böse enden, denn so manche Seele versuchte, Besitz von einem Medium zu ergreifen. Auf der Seite des Jenseits wiederum konnte Eva verloren gehen.
    »Frank, bitte komm her. Du brauchst dich nicht zu fürchten!«
    Ein kleines Licht erschien in der Ferne – eine Seele. Bei neunundneunzig von einhundert Versuchen erreichte Eva den richtigen Geist. Noch konnte sie dem Licht keine Gestalt zuschreiben, sie stand zu weit entfernt.
    »Du bist auf dem richtigen Weg, Frank. Folge meiner Stimme und dem Gesang meines Herzens.«
    Das Licht näherte sich und Eva erkannte menschliche Umrisse. »Frank, folge dem Kerzenschein. Du siehst ihn schon, ich erleuchte dir den Weg zu mir.«
    Schattenwesen durchquerten erneut ihr Blickfeld und Eva verlor die Lichtgestalt aus den Augen. Allerdings kühlte die Umgebung deutlich ab, wie immer, wenn eine verstorbene Seele die Grenze überschritten hatte. »Du hast es fast geschafft. Tritt näher, damit ich dich sehen kann.«
    Der Mann erschien aus dem Nichts und Eva erschrak im ersten Moment. So nah hatte sie ihn noch nicht vermutet. Aber sie erkannte das Gesicht des Geistes. Es gehörte dem Mann vom Foto, das ihr die Hexe gegeben hatte. In seinem Blick las sie Angst und Verwirrung. Er schien nicht zu wissen, was vor sich ging, vielleicht ahnte er noch nicht einmal, dass er tot war.
    »Bist du Frank Cole?« Den Namen des Verstorbenen zu nennen half dem Geist, sich zu orientieren.
    Frank nickte und wirkte unsicher. Fragend blickte er sie an.
    »Mein Name ist Eva und deine Frau Marla schickt mich zu dir. Hab keine Angst.«
    Bei der Erwähnung seiner Frau veränderte sich der Blick des Toten.
    »Marla?« Seine Stimme klang warmherzig, aber sein Gesicht wirkte unsagbar traurig.
    »Ja, Marla. Sie macht sich große Sorgen. Niemand weiß, was passiert ist.«
    Einen Moment schien der Geist um Fassung zu ringen, Tränen schlichen sich in seine Augen. Er erinnerte sich, aber der Rückblick schmerzte.
    Eva beobachtete das oft, niemand dachte gern an seinen Tod zurück.
    »Geht es Marla gut?«
    »Ja, aber sie findet keine Ruhe. Sie will wissen, was geschehen ist? Bisher hat niemand deinen Körper gefunden und bei der Polizei giltst du lediglich als vermisst. Dein Ziehsohn verspürte deine Gabe und …«
    Zornig erhob Frank seine Stimme. »Sebastian ist ein Erbschleicher!« Wut umspielte seine Gesichtszüge.
    Eva zuckte zusammen. Lange Zeit hatte sie den Ausdruck nicht mehr gehört. »Ein Erbschleicher? Bist du dir sicher?« Sie legte Ruhe in ihre Frage, obwohl sie lieber geschrien hätte. Aber ein aufgebrachter Geist war nicht nur nutzlos, sondern auch gefährlich.
    »Sicherer kann man nicht sein. Sebastian ist ein Magier und er hat sich mein Vertrauen erschlichen. Er hat mich getötet!« Franks Stimme bebte, aber er versuchte, sich zurückzuhalten. Er war vertraut mit der magischen Welt und kannte die Grundsätze der Kontaktaufnahme.
    »Glaubst du, dieser Sebastian ist ein Trittbrettfahrer?«
    Der Verstorbene schüttelte fassungslos den Kopf. Es fiel ihm schwer, die Kontrolle zu bewahren. Die Enttäuschung sah sie ihm ebenso an wie seine Angst. »Er wird auch Marla töten. Es sind die Fingerless, sie sind zurück.«
    Evas Herz begann zu rasen. Das Blut schlug heiß - kalte Wellen durch ihren Körper. Die Fingerless sollten zurückgekehrt sein? Die mächtige Magierfamilie wurde vor Jahren vom Rechtssystem weggesperrt, weil sie einen Haufen Morde begangen hatten und skrupellos nach Talenten jagten.
    »Wenn es die Fingerless sind, muss ich es dem Beirat berichten.«
    »Er wird Marla töten.« Frank schluchzte, er konnte
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