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Gefaehrlich begabt

Gefaehrlich begabt

Titel: Gefaehrlich begabt
Autoren: Simone Olmesdahl
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von seinem Können zu überzeugen. Die Söhne des alten Deichbauers spuckten Gift und Galle, so erbost waren sie, wollten sie doch diese Arbeit verrichten. Ansel siegte und bekam den Job. Die Brüder wanderten daraufhin wütend zur Dorfhexe. Die Hexe sprach gekonnt einen Fluch und wurde reichlich von den Brüdern dafür entlohnt. Von nun an sollte Ansel kein Glück mehr widerfahren und seine kommenden Jahre durch Unheil verübelt sein. Die Monate vergingen, ohne dass etwas passierte. Ansel baute einen stabilen Deich, der hielt. Doch der Fluch wirkte dennoch und bescherte ihm ein geistig behindertes Kind. Die Bewohner unseres Dorfes fürchteten sich vor dem kleinen Mädchen, die Mutter versteckte sie deshalb oft im Haus. Ansel aber ließ sich nicht beirren und ging fleißig seiner Arbeit nach. All seine Liebe steckte er in den neuen Deich, der alte war so gut wie vergessen. So kam es auch diesmal, wie es kommen musste. Der vernachlässigte, alte Deich brach bei einer großen Sturmflut. Die Wassermassen strömten ins Dorf und nur mit Mühe konnten die Männer die meisten Bewohner retten. Ansels Gemahlin litt schreckliche Furcht, wohl wissend, dass ihr Mann gerade in den Fluten kämpfte. Also packte sie das kleine Mädchen und ging los, um nach dem Rechten zu sehen. Die Flutwellen erfassten die Frau und sie und das Kind wurden weit in die See getrieben. Niemand eilte ihnen zu Hilfe, und als Ansel seine Familie ertrinken sah, trieb er seinen Schimmel hinterher ins Meer. Das Pferd sträubte sich keine Minute und galoppierte mutig in die aufschäumenden Wellen. Die ganze Familie ertrank in der Flut und auch der tapfere Gaul überlebte nicht.
    Der älteste Sohn trat nun verspätet sein Erbe an. Er bekam die Stelle als Deichbauer und verrichtete seine Arbeit, aber sein Gewissen plagte ihn. War der Fluch schuld an der Tragödie?
    Schon bald gingen in der Dorfschenke die Gerüchte umher, man habe Ansel am Wasser gesehen. Er reite mit seinem Schimmel die Deiche ab und das gespenstische Hufgetrappel sei bis zur Kirche zu hören. Der neue Deichbauer wollte das natürlich nicht wahrhaben und bestellte eines Abends die Dörfler zum Meer, um zu beweisen, dass es den Geist nicht gab und er der einzige Deichwächter wäre. Doch nur Minuten vergingen, bis der Erste das unheimliche Hufgetrappel hörte. Die Menschen liefen in Panik davon. Der neue Deichbauer aber blieb, er traute seinen Ohren nicht. Aus dem Nichts erschien Ansel in Form eines Geistes und sein edler Schimmel trat fest zu. Der Huftritt schleuderte den Deichbauer ins weite Meer und ihm wurde Ansels Schicksal zuteil. Er ertrank in dem wütenden Gewässer.
    Diese Geschichte nennen wir die Rache des Schimmelreiters und seither hören wir auch jetzt noch manchmal das Hufgetrappel des mutigen Pferdes. Manche sehen sogar den Geist von Ansel die Deiche abreiten.«
    Es war mucksmäuschenstill. Alle blickten nachdenklich in die Flammen. Die Worte des alten Mannes klangen nach, und obwohl sich Anna inzwischen etwas schläfrig fühlte, hatte ihr die Geschichte eine Gänsehaut auf die Arme gezaubert. Das war das Schönste an diesen Abenden. Wie unglaubwürdig die Legenden auch sein mochten, das Feuer, die Dunkelheit und das Rauschen des Meeres ließen sie dennoch schaurig erscheinen. Es waren die Momente, in denen sich Anna kaum zu atmen traute, aus Angst, sie könnte die Stimmung verderben.
    Kevin fing ihren Blick auf und lächelte. Als der Erste aufstand, um etwas zu trinken zu holen, brach der Zauber. Jeder begann zu diskutieren, um seine Meinung über den Wahrheitsgehalt der nördlichen Mär lautstark kundzutun.
    »Das ist das Beste am Sommer, oder?«, fragte Kevin.
    Anna nickte. »Auf jeden Fall.« Lustig, dass sie fast dasselbe gedacht hatte. Das geschah oft und war wohl ein Grund dafür, weshalb sie sich angefreundet hatten.
    Vom Alkohol leicht angeheitert, begann Kevin über die Geschichte zu rätseln und sie stimmte locker ein. Erst als Kevin aufstand, um sich ein Bier zu holen, bemerkte sie, wie weit der Uhrzeiger schon zur Mitternacht vorgerückt war.

3. Kapitel
    Tödliches Wissen
    E va versuchte, sich zu konzentrieren. In der Regel hatte sie keine Probleme, in die Welt des Jenseits zu tauchen. Sie beherrschte ihre Gabe perfekt, sie war ein starkes Medium. Allerdings schaffte sie es diesmal nicht, die innere Unruhe zu unterdrücken. Der vierte Begabte, der diesen Monat einfach so verschwand … Ihr Bauchgefühl sagte, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war, und auf
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