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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt
Autoren: Len Deighton
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vorstellen, daß er ihr plötzlich nichts mehr geliefert hat, um sie zu zwingen, ihm zu folgen. Eine Menge Leute waren in die Sache verwickelt. Man brauchte einen Sündenbock. Du kannst wetten, daß die offizielle Erklärung sein wird, daß du es reingebracht hast.«
    »Daß ich es gebracht habe? Heroin? Wessen Erklärung? Ost oder West?«
    »Die Erklärung wird alle glücklich machen. Damit können sie endlich die Akte schließen«, sagte ich. »Wie weit würde das Department da mitmachen?«
    »Die Situation ist noch nie dagewesen. Wir können uns nicht nach irgendwelchen Präzedenzfällen richten.«
    »Onkel Silas wußte, was ich wirklich gemacht habe.«
    »Ja, ich weiß, ich habe mit ihm gesprochen. Onkel Silas sagt, sie müßten Moskau noch sechs Monate in dem Glauben halten, daß du zuverlässig warst. Sie werden all das Material benützen, das sie bisher nicht eingesetzt haben, um dich nicht zu kompromittieren.«
    »Du sagst also, daß jemand Tessas Tod sorgfältig geplant hat?«

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    »Ich weiß es nicht.« Ich antwortete zu prompt, und sie dachte, ich sagte ihr nicht alles, was ich wüßte. »Ich weiß es wirklich nicht, Fi.«
    Sie legte den Arm um mich. »Ich kann niemandem mehr trauen. Manchmal macht mir das angst.«
    »Verstehe ich.«
    »War das bei dir auch so?«
    »Manchmal.«
    »Wer kann einen so schrecklichen Plan ausgeheckt haben?«
    »Vielleicht irre ich mich ja«, sagte ich.
    »Bret?«
    »Ich würde nicht die Liste der Verdächtigen durchgehen.
    Wahrscheinlich ist das Ergebnis eine Mischung von Planung und günstiger Gelegenheit. Vielleicht reimt sich auch alles anders, als ich vermute. Wie ich schon sagte: Vielleicht bin ich auf dem Holzweg.«
    »Ich nehme an, Tessa sah mir ähnlich. Daddy hat das immer gesagt.«
    »Beweise habe ich weder für noch gegen meinen Verdacht«, sagte ich. »Es kommt jetzt im Grunde nur darauf an, Bret die Antworten zu geben, die er haben will. Wir müssen hier raus.
    Die Kinder brauchen uns.«
    »Ich habe sie verlassen«, sagte Fiona. »Sie müssen mich hassen.«
    »Tun sie natürlich nicht.«
    »Warum hat’s nicht mich getroffen? Tessa war so lebenslustig, und die Kinder kommen auch ohne mich zurecht.
    Warum hat’s nicht mich getroffen?«
    »Du mußt wieder anfangen, Fi«, sagte ich.
    »Ich habe sie nicht mal erkannt«, sagte Fiona. »Ich habe sie da im Schlamm liegen lassen.«
    Ich hörte den Ozean, konnte aber da draußen nur Finsternis sehen. Ich sagte: »Warum versuchen wir nicht, Bret zu überreden, die Kinder für die letzten drei oder vier Wochen

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    noch hierherkommen zu lassen?«
    »Bret sagt, daß wir noch lange hiersein werden«, sagte sie beiläufig, als wäre ihr das gleichgültig.
    Ich schauderte. Ich hatte recht. Wir waren gefangen hier.
    Vielleicht für Jahre. Vielleicht auf unbestimmte Zeit. Ich wußte von gefährdeten Überläufern, die man zehn oder noch mehr Jahre derart versteckt gehalten hatte. »Sag Bret, daß du darauf bestehst, die Kinder zu sehen«, schlug ich vor. Sie antwortete nicht sofort, und als sie’s tat, war ihre Stimme matt. »Ich liebe die Kinder und sehne mich verzweifelt danach, sie wiederzusehen. Aber es soll nicht hier sein.«
    »Also gut, wenn du meinst, Fi.«
    »Ich brauche Zeit, Bernard. Ich werde das vom Glück begünstigte Mädchen sein, das du geheiratet hast, und die guten Zeiten werden wiederkommen. Wir werden danach glücklich zusammenleben. Aber ich brauche Zeit.«
    Vom Stillen Ozean wehte jener Geruch von Salz und Fäulnis, den man frische Luft nennt. Der Himmel war sehr dunkel in jener Nacht. Keine Sterne, kein Mondschimmer.
    Selbst die Lichter entlang der Küste gingen aus.

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