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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt
Autoren: Len Deighton
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sollten. Aber was konnte ich tun? Nur so war Fionas Sicherheit zu garantieren, sagte Bret. Und dagegen gab es keine Argumente.
    Eines Abends, bald nach unserer Ankunft, hatte ich versucht, mit Fiona über ihre Zeit bei Stinnes und seinen Spießgesellen zu sprechen. Es war, als wir schlafen gingen.
    Anfänglich antwortete sie normal, aber dann wurden ihre Antworten immer kürzer und abgehackter, und ich merkte, daß sie sich sehr aufregte. Sie weinte nicht, es kam überhaupt zu keinem Gefühlsausbruch. Wäre das geschehen, wäre es wahrscheinlich für alle Beteiligten besser gewesen. Es hätte ihr vielleicht geholfen. Aber sie weinte nicht; sie legte sich ins Bett, machte sich ganz klein und zog das Laken über den Kopf.
    Allabendlich beim Dinner saßen wir zusammen mit Bret, unserer Gastgeberin und deren Schwiegersohn, einem umgänglichen Rechtsanwalt. Diese Mahlzeiten waren sterbenslangweilig, die mexikanischen Dienstboten ließen uns dabei keinen Augenblick allein, und wir tauschten Belanglosigkeiten aus. Manchmal sah ich Bret Rensselaer am Schwimmbecken, und dann scherzten wir miteinander. Meiner Besorgnis um Fionas Gesundheitszustand entgegnete er mit freundlichen Beschwichtigungen. Der Arzt hatte sie am Tage nach ihrer Ankunft hier gründlich untersucht und ihr, für den Fall, daß sie sie brauchte, Vitaminpillen und Schlaftabletten gegeben. Und er wies mich darauf hin, daß sie eine schwierige Zeit hinter sich habe, und behandelte mich wie eine neurotische Mutter, die sich um ein Kind mit abgeschürftem Knie sorgt.
    Aber die Veränderungen, die ich an Fiona bemerkte, waren vielleicht nicht sichtbar für Leute, die sie nicht so gut kannten.
    Es waren durchweg geringfügige Veränderungen. Sie schien

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    irgendwie eingeschrumpft, ihr Gesicht war gespannt, und sie hatte nicht mehr diesen anziehenden aufrechten Gang, dessen ich mich so gut erinnerte. Neu war auch die leise und zögernde Stimme, mit der sie jetzt sprach, und die Schüchternheit, mit der sie jedem begegnete, mir und Bret genauso wie den mexikanischen Dienstboten. Eines Abends, beim Dinner, verschüttete sie ein paar Tropfen Barbecue-Sauce auf das Tischtuch – dergleichen passiert mir ja dauernd –, und sie sank in ihren Sessel zurück und schloß die Augen. Niemand am Tisch schien es zu bemerken, aber ich wußte, daß sie kurz davor war zu schreien, vielleicht einem Zusammenbruch nahe.
    Das Schlimme war, daß sie sich mir nicht anvertraute, obwohl ich immer wieder versuchte, sie zum Reden zu bringen.
    Schließlich beschuldigte sie mich, sie unter Druck zu setzen, deshalb gab ich meine Bemühungen auf und überließ die ganze Sache Bret.
    Zwei Tage später bat mich Bret, während der
    Vormittagssitzung anwesend zu sein. »Es sind noch ein paar Sachen ungeklärt«, sagte Bret.
    »Aus meiner Sicht ist da noch eine Menge ungeklärt«, sagte ich. Fiona saß zusammengesunken in einem großen Sessel.
    Bret saß hinter seinem Tisch – ein perfektes modernes Design aus rosa Marmorplatte aufpolierten Stahlbeinen –, mit dem Rücken zu den getönten Fensterscheiben. Der Garten war mit Farben vollgepackt. Vor der weißgetünchten Wand des Hofes standen Orangen- und Zitronenbäume, blühten Jasmin, Rosen und Bougainvilleas. Von ihrem Duft hatte man in Brets Büro nichts, denn das Fenster war fest verschlossen und die Klimaanlage lief auf vollen Touren. Bret sah mich lange an und sagte schließlich: »Zum Beispiel?«
    »Die Heroinspuren in dem Ford Transit.« Das war ein Bluff, und er zog nicht.
    »Lassen wir doch jetzt die Nebensächlichkeiten«, sagte Bret. »Was wir feststellen wollen, sind die Identitäten der

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    anderen Beteiligten.«
    »Das kann Fiona für dich besorgen«, sagte ich. »Sie hat mit ihnen im Wagen gesessen.«
    »Erich Stinnes«, sagte Fiona etwas mechanisch. »Und ein russischer Verbindungsmann. Und dann war da noch ein Mann, den ich nie zuvor gesehen hatte. Er kam auf dem Motorrad.«
    »Gut! Gut!« murmelte Bret, während er das mühevoll alles aufschrieb, um es nicht zu vergessen. Er blickte auf. »Drei Mann.« Ein schnelles, nervöses Lächeln. Bret Rensselaer war einer von diesen schlanken, eleganten Amerikanern, die, ob krank oder gesund, immer gut in Form zu sein scheinen; wie ein Bugatti-Oldtimer oder ein fünfzigkarätiger Diamant. Hinter dem Schreibtisch, einen goldenen Füllfederhalter in der Hand, glich er einem sorgfältig arrangierten Porträtfoto aus einer Klatschillustrierten. Er trug maßgeschneiderte weiße
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