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Gedankenmörder (German Edition)

Gedankenmörder (German Edition)

Titel: Gedankenmörder (German Edition)
Autoren: Rose Gerdts
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Koffer.
    Plötzlich wurde Marie von einem solchen Weinkrampf geschüttelt, dass ihr die Beine wegsackten. Der Mann riss sie grob hoch und war für den Bruchteil einer Sekunde abgelenkt. Mit einer blitzschnellen Bewegung griff sich Steenhoff den Kleiderständer, der direkt am Eingang des Büros stand, und warf ihn auf den Geiselnehmer hinter sich. Er hoffte inständig, dass er Marie nicht zu sehr weh tun würde. Reflexartig ging Marie in die Knie, um dem Kleiderständer auszuweichen, wurde aber an der Wange getroffen. Überrascht von dem Angriff und Maries Reaktion, strauchelte der Mann und fiel samt seiner Geisel zu Boden.
    Mit einem Satz stürzte sich Steenhoff auf den Mann. Doch der warf sich erstaunlich behände zu Seite.
    Die Kugel traf Steenhoff knapp über der Hüfte. Einen Augenblick lang war er unfähig, sich zu bewegen. Zusammengekrümmt lag er auf dem Bauch und presste beide Hände auf die Wunde, aus der das Blut sickerte. Als er versuchte hochzuschauen, sah er ein Paar braune Schuhe neben seinem Gesicht.
    «Jetzt gebe ich dir den Rest», hörte er die Stimme direkt über sich sagen.
    Steenhoff schloss die Augen.
    Wie durch Watte hindurch hörte er das Martinshorn. Dann noch eins und noch eins. Die Wagen schienen aus allen Richtungen zu kommen.
    «Scheiße», fluchte die Stimme über ihm. Die Schuhe entfernten sich und gingen auf das zusammengekauerte Bündel Mensch zu, in dem Steenhoff Marie erkannte.
    «Bitte lassen Sie meine Tochter. Nehmen Sie mich als Geisel. Ich werde alles tun, was Sie verlangen», hörte er Petersen plötzlich sagen.
    Nach kurzem Zögern stieß der Mann Marie wieder zu Boden und griff sich Petersen. Steenhoff blieb reglos am Boden liegen, als der Mann mit Petersen vor das Büro trat. Mühsam versuchte er, sich hochzustemmen, doch die Schmerzen waren zu groß. Vorsichtig robbte Steenhoff auf Marie zu, versuchte zu lächeln, streichelte ihr sanft über die Wange und legte einen Finger auf seine Lippen. Marie sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Dann nickte sie.
    Steenhoff kroch zur Tür.
    Der Mann stand direkt mit dem Rücken zu ihm. Wie einen Schutzschild hatte er Petersen vor sich positioniert und hielt sie von hinten umklammert. Das zirkulierende Blaulicht mehrerer Streifenwagen tauchte den Eingang der Farm in ein gespenstisches Licht.
    Vergeblich suchte Steenhoff nach irgendetwas, das er als Waffe benutzen konnte. Am Stall gegenüber lehnte ein Spaten. Aber dazwischen stand der Mann mit Petersen. Steenhoff bezweifelte, dass er die Kraft hätte, mit dem Spaten auf den Täter einzuschlagen. Dicht an den Boden gepresst blieb er liegen und betete, dass der Mann sich nicht umschauen möge. Doch der schien von der anrückenden Polizei völlig in den Bann geschlagen.
     
    «Los, da rüber!», entschied der Unbekannte blitzschnell und stieß Petersen in die entgegengesetzte Richtung des Eingangs. Er wollte seinen Verfolgern über die benachbarten, im Dunkeln liegenden Grundstücke der Anwohner entkommen. Widerstrebend tat Petersen, wie ihr geheißen. Dem Mann war es offenbar nicht schnell genug. Grob schlug er ihr auf den Hinterkopf. «Los, schnell habe ich gesagt!»
    Steenhoff begann zu robben. Er fühlte sich dabei an seine Grundausbildung bei der Bundeswehr erinnert. Bei jeder Bewegung tat ihm seine Wunde weh, und er musste mehrfach ein Stöhnen unterdrücken.
    Nur noch wenige Meter trennten ihn von seiner abgelegten Dienstwaffe, als er sah, wie Petersen plötzlich ein Stück in die Knie ging. Dann hörte er einen Schrei, voller Kraft und Konzentration.
    Verblüfft sah Steenhoff, wie Petersen ihren rechten Ellenbogen dem hinter ihr stehenden Mann wie einen Rammbock in den Bauch stieß. Dieser klappte in sich zusammen. Der zweite Angriff traf ihn am Kopf. Aber der Fußtritt schien ihn nur gestreift zu haben. Statt einen dritten Angriff zu riskieren, ergriff Petersen die Flucht.
    Ihre Lungen brannten, als sie auf einen bunt angemalten Bauwagen zuhastete. Nur noch wenige Meter. Dahinter wäre sie in Sicherheit. ‹Verdammt, was machten bloß die Kollegen? Warum waren sie nicht schon längst auf dem Grundstück?›
    Hinter sich hörte sie das dumpfe Plopp, Plopp, Plopp des Schalldämpfers. Neben ihr spritzte die Erde auf. Eine Kugel verfehlte ihren Kopf nur um einige Millimeter und pfiff an ihrem rechten Ohr vorbei.
    ‹Gleich bin ich tot›, konnte sie noch denken.
    Da zerrissen zwei laute Schüsse die Nacht.

26
    Das Boot stand unter vollen Segeln und tanzte elegant auf den Wellen.
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