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Gebrauchsanweisung für China (German Edition)

Gebrauchsanweisung für China (German Edition)

Titel: Gebrauchsanweisung für China (German Edition)
Autoren: Kai Strittmatter
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Gespräch nicht suchen, das Gespräch sucht Sie. Für Zufallsbegegnungen (im Zug, auf dem Plumpsklo) sollten Sie Ihre Herkunft, Ihr Alter, Ihren Familienstand und Ihr Monatsgehalt parat haben, gewöhnlich werden die Informationen in dieser Reihenfolge von Ihren Gesprächspartnern abgefragt und in Ihrem Beisein ausgiebig diskutiert. Für vertrautere Gespräche prägen Sie sich zusätzlich Ihr Sternzeichen im chinesischen Tierkreis und Ihre Blutgruppe ein. Nicht weil Ihr Gegenüber Arzt wäre, sondern weil er denkt, sich so ein Bild von Ihnen machen zu können. Viele Chinesen sind überzeugt davon, von der Blutgruppe auf den Charakter einer Person schließen zu können. (Selbstsicher bis zur Sturheit? Wahrscheinlich Blutgruppe 0. Wenn Sie hingegen immer auf andere hereinfallen, müssen Sie eigentlich B sein.)
    Neuankömmlinge lauschen besonders gerne jenen mal guttural angehauchten, mal energisch abgehackten »Ah«-, »Ai-yo«-, »Ng«- und »Mmm«-Lauten unterschiedlicher Tonlage, Modulation und Dauer, die Chinesen in der Alltagskonversation zwischen ihre Sätze streuen wie sonst Erdnüsse über Gongbao-Huhn und die vor allem beim jeweils Zuhörenden, weit mehr als in europäischen Sprachen, lebendige Organismen der Zustimmung, der Verwunderung oder des Beileids mit einem ganz eigenen Bedeutungsbiotop sind. Diese Eigenart des Chinesischen bestimmt vor allem die Dramaturgie von Telefongesprächen dergestalt, dass ein irischer Freund von mir fasziniert das Wort vom »unenthusiastischen Telefonsex« prägte. Der dann nicht selten in einen Koitus interruptus mündet: wenn sich das Gegenüber statt mit warmen Worten mit einem trocken abgehackten »A« verabschiedet und auflegt.

Für Altmaoisten
     
    Sobald Sie in Peking gelandet sind, setzen Sie sich in ein Taxi, verhängen Sie die Scheiben, und lassen Sie sich zum Bahnhof fahren. Dort nehmen Sie den nächsten Zug nach Pjöngjang (Montag bis Samstag, Abfahrt jeweils 15 Uhr 30).

Für Chinamüde
     
    Dito. Eine Woche Pjöngjang sollte genügen. Alternativ: ein Monat Bremen, Kempten oder Bad Godesberg. Es wird Sie ein brennendes Sehnen nach Peking erfüllen.

Wenn Sie China vermissen
     
    Um die Atmosphäre von Peking oder Lanzhou möglichst originalgetreu zu rekonstruieren, legen Sie von Ihrem Wohnzimmer ein Rohr zur Garage. Schließen Sie das Garagentor, starten Sie den Motor Ihres Autos, und beobachten Sie mit Wehmut die Schwaden, die Ihr Wohnzimmer füllen. Holen Sie jetzt Ihre letzte Flasche Erguotou , dazu Pinsel und Tusche, und verfassen Sie ein Gedicht auf die weißen Wölklein, die nun über Ihrem Sofa schweben.
    Stellen Sie in jedem Zimmer eine mit Pfingstrosen bemalte rote Thermoskanne auf. Schenken Sie sich daraus alle paar Stunden ein Glas lauwarmes Wasser ein, schicken Sie jedem Schluck alsdann aus der Tiefe Ihrer Seele ein Schnalzen und ein genussvolles »Aaaah!« hinterher.
    Seien Sie nett zu Ausländern.

Wenn Sie dann noch immer China vermissen
     
    Lesen Sie.
    Folgende Autoren zum Beispiel, für die sich auch der Weg ins Antiquariat lohnt.
    Wolfgang Bauer: einer der letzten deutschen Sinologen, der den Sprung quer durch die Jahrtausende und Disziplinen wagte. Genialer Querdenker, der Chinas Geistesgeschichtegegen den Strich kämmte, so in seinem Hauptwerk »China und die Hoffnung auf Glück«.
    Carl Crow: amerikanischer »Reklameagent«, der in seinem Buch »Vierhundert Millionen Kunden« aus dem Schanghai der 1930er-Jahre erzählt. Kurios und erhellend.
    Lu Xun: Wenn je ein chinesischer Autor einen Nobelpreis verdient hätte, dann dieser. Sezierte die chinesische Gesellschaft scharf, hellsichtig und poetisch. Beißende und melancholische Kurzgeschichten. Starb, zu seinem Glück, vor der kommunistischen Machtergreifung.
    Jonathan Spence: Sinologe, dem das Kunststück gelingt, Professor zu sein und dennoch anschaulich und spannend zu schreiben. Viele Bestseller, alle empfehlenswert. Standardwerk: »Chinas Weg in die Moderne«.
    Chen Guidi & Wu Chuntao: Zwei Schriftsteller ziehen drei Jahre lang durchs Land, um die »Lage der chinesischen Bauern« zu dokumentieren. Schockierend und aufklärend. In China verboten, in Deutschland bei Zweitausendeins.
    Liao Yiwu: »Fräulein Hallo und der Bauernkaiser«. China von unten. Großartiges Kaleidoskop der chinesischen Gesellschaft.
    Yan-Kit So: Schrieb das beste ins Deutsche übersetzte Kochbuch, das ich je in die Finger bekommen habe. Wird immer wieder neu aufgelegt, mal als »Chinesisch Kochen«, mal als »Die
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