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Gebannt - Unter Fremdem Himmel

Gebannt - Unter Fremdem Himmel

Titel: Gebannt - Unter Fremdem Himmel
Autoren: Veronica Rossi
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quer über seine Wange.
    »Schön für dich«, lallte Perry. »Keine Ahnung, wer du bist, aber schönes Haar. Meine Schwester trägt ­ihres genauso.«
    Der Zopf schaute unvermittelt auf Perrys verbrannte Hand. »Passt dir das Leben als Versprengter nicht, Tidengrünschnabel? Hast du keinen älteren Bruder mehr, der sich um dich kümmert? Der dir Probleme vom Hals hält?« Der Zopf stützte sich mit einer Hand auf der Erde ab und beugte sich vor. »Du stinkst nach Elend.«
    Er war ein Witterer. Der Zopf musste Perrys Stimmung in diesem Moment kennen. Wie verletzt er war. Dass ihn allein das Atmen schon Kraft kostete. Eigentlich hätte es ihn beunruhigen müssen, gegen jemanden zu kämpfen, der die gleichen Fähigkeiten besaß wie er. Doch Perry hörte sich lachen. »Du stinkst auch, Mann«, höhnte er. »So, als hättest du wiedergekäut.«
    Der Zopf sprang auf und kickte die volle Flasche Luster weg, sodass sie polternd in der Dunkelheit verschwand. Sofort kamen die anderen Männer herbei. Ihre Erregung prickelte wie Funken in Perrys Nase. Er hatte damit gerechnet, an diesem Abend noch in einen Kampf zu geraten. Er wusste, wie die Menschen reagierten, wenn sie ihn sahen. Welcher Mann würde sich nicht größer und stärker fühlen, nachdem er einem wie ihm die Seele aus dem Leib geprügelt hatte?
    Perry umklammerte sein Messer und erhob sich. »Dann mal los. Wollen doch mal sehen, was du so draufhast.«
    Der Zopf nahm eine Angriffsposition ein und ließ dabei ein mörderisches Stück Stahl mit scharfer Klinge aufblitzen – eher eine Säge als ein Messer. Der Mann wirkte zwar sicher und bewegte sich ruhig, doch seine Stimmung war von Furcht durchzogen.
    Perry grinste. »Hast du deine Meinung geändert?«
    Im nächsten Moment schoss der Zopf auf ihn zu. Perry spürte den Stich des Messers in seinem Arm, nicht aber den Schmerz der Wunde – eine klaffende Wunde. Das Blut, das aus ihr strömte, wirkte im Ätherlicht dunkel. Eine Sekunde konnte er lediglich zuschauen, wie ihm das Blut den Arm hinunterrann.
    Vielleicht war das hier doch keine so gute Idee. Betrunken hatte Perry noch nie gegen jemanden gekämpft. Er hatte sich zu langsam bewegt. Seine Beine waren zu schwer. Bei seinem Vater hatte es vielleicht funktioniert, weil Perry noch ein Junge gewesen war. Wie schwer konnte es schon sein, ein Kind zu schlagen, das einfach nur dastand und förmlich darauf wartete? Ein Junge, der auf irgendetwas hoffte, womit er es wiedergutmachen konnte?
    Perry unterdrückte die Gallenflüssigkeit, die plötzlich in seiner Kehle aufstieg, und begriff, welche Wahl ihm blieb, falls es dem Zopf gelang, ihm ein Messer an den Hals zu drücken: Lehnstreue geloben oder sterben. Eine einfache Entscheidung.
    »Du bist ein Nichts im Vergleich zu dem, was ich von dir gehört habe«, höhnte der Zopf. »Peregrine von den Tiden. Zweifacher Sinnesträger.« Er lachte. »Du bist die Luft nicht wert, die du atmest.«
    Zeit, ihm das Maul zu stopfen, beschloss Perry und wirbelte das Messer zwischen den Fingern, wobei es ihm fast aus der Hand rutschte. Und dann wurde er aktiv, führte einen Stoß aus, der jedoch nicht annähernd so schnell war, wie er hätte sein sollen. Fast hätte Perry gelacht. Messer waren noch nie seine bevorzugte Waffe gewesen. Die Bewegung ließ erneut eine Woge der Übelkeit in ihm aufkommen, diesmal so stark, dass er sich zusammenkrümmte.
    Während er gegen seinen Brechreiz ankämpfte, stürzte sich der Zopf auf ihn und rammte ihm das Knie ins Gesicht. Es gelang Perry noch, den Kopf zu drehen, sodass er die volle Wucht des Stoßes mit der Schläfe abfing. Damit hatte er seine Nase zwar verschont, schlug jedoch hart auf dem Erdboden auf und erkannte, dass eine nahende, dunkle Bewusstlosigkeit ihn zu überwältigen drohte.
    Er bekam weitere Tritte, die auf seinem Rücken, seinen Armen und seinem Kopf landeten. Sie kamen von überall. Perry spürte sie undeutlich, es waren nur Schatten des wirklichen Schmerzes. Er hielt den Zopf nicht auf. Das war der einfache Weg: Er musste nur unten bleiben. Als er einen Tritt von hinten erhielt, schlug Perrys Kopf nach vorn. Wieder kam die Finsternis und verdüsterte die Ränder seines Sichtfelds. Er wünschte sie sich herbei. Vielleicht würde es mehr Sinn ergeben, wenn er äußerlich genauso empfand wie in seinem Innern.
    »Du bist schwach .«
    Der Mann täuschte sich. Perry war nicht schwach. Das war nie das Problem gewesen. Das Problem war nur, dass er nicht allen helfen konnte. Ganz
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