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Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gauck: Eine Biographie (German Edition)
Autoren: Mario Frank
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spöttisch, ironisch, anflugweise sarkastisch. Mein Vater ist nie, niemals ein Zyniker gewesen.« Olga Gauck, die eine stärkere Bindung an die Kirche besaß als ihr Mann, setzte später durch, dass ihre gemeinsamen Kinder getauft und konfirmiert wurden. Das ist zum einen von Bedeutung, weil Joachim Gauck sich nach dem Abitur entschied, Theologie zu studieren. Zum anderen machte Gauck senior später eine grundlegende Wandlung durch. Nach dem Schicksalsschlag seiner Verschleppung in den Gulag fand er zum Glauben und ging von da an öfter in die Kirche.

    5  Gauck senior in Arbeitskleidung
    Olga Gaucks Eltern entstammten beide armen Landarbeiterfamilien. Olgas Mutter Luise war mit sechzehn Jahren diesem Milieu entflohen, indem sie den Maurergesellen Franz Warremann geheiratet hatte und mit ihm nach Rostock gezogen war. Das Paar bekam drei gesunde Kinder: Walter (1907), Olga Frieda Henrika (1910) und Gerda (1913). Der Erstgeborene, Walter, wurde Maurermeister und Architekt. Gerda lernte Buchhaltung und arbeitete später wie ihr Bruder im Betrieb des Vaters mit. Das Familienoberhaupt war tüchtig und machte während des Dritten Reichs Karriere. Aus dem Maurergesellen wurde ein Baumeister, aus dem Baumeister ein Bauunternehmer.
    Der handwerkliche Baubetrieb wuchs und gedieh prächtig. 1939 erzielte sein Unternehmen einen Gewinn von neuntausend Reichsmark und beschäftigte dreiundzwanzig Mitarbeiter. Gaucks Großvater konnte sich ein repräsentatives Auto leisten und ein geräumiges Doppelhaus bauen, errichtet in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre im Rostocker Vorort Brinckmansdorf. Mit Kriegsausbruch jedoch verschlechterte sich die Lage seiner Firma dramatisch. 1940 hatte er nur noch zwei Angestellte, und ein Jahr darauf war er gezwungen, den Betrieb mangels Arbeitskräften ganz ein 26 zustellen. Für den Rest des Krieges wurde er zum Sicherheits- und Hilfsdienst der Stadt Rostock eingezogen.

    6  Gerda, Olga und Walter Warremann, sitzend ihre Eltern Luise und Franz
    Eine besondere Nähe zu den Nationalsozialisten hatten die Warremanns nicht. Abgesehen von Olga war kein Familienmitglied in der Hitler-Partei. Franz Warremann hatte 1934 vergeblich den Antrag gestellt, NSDAP -Mitglied zu werden. Der Unternehmer wurde nicht aufgenommen, weil er vor der Machtergreifung der Arbeiterbewegung nahegestanden hatte. Man unterstellte ihm, wohl nicht zu Unrecht, dass er nur aus opportunistischen Gründen, um besser Aufträge akquirieren zu können, der Nazi-Partei hatte beitreten wollen. Seine Haltung zum Hitler-Regime lässt sich daran erkennen, dass er regelmäßig heimlich den Radiosender BBC London hörte. Das Einschalten von »Feindsendern« stand seit Kriegsbeginn unter Strafe, und BBC London galt im Dritten Reich als der »Feindsender« Nummer eins. Um sicherzugehen, dass er dabei nicht belauscht werden konnte, warf sich Gaucks Großvater beim Radiohören immer eine Decke über den Kopf.
    Die Art und Weise, wie Olga Warremann ihren Verlobten dazu bewegt hatte, 1938 mit ihr vor den Traualter zu treten, sagt einiges über ihr entschlossenes und willensstarkes Wesen aus. Die damals Neunundzwanzigjährige fand offensichtlich, dass es für sie höchste Zeit war, in den Ehehafen einzulaufen. Möglicherweise trug zu ihrer Heiratsoffensive mit bei, dass im selben Jahr auch ihr Bruder und ihre Schwester in den Stand der Ehe traten, was für Franz Warremann nicht unerhebliche finanzielle Aufwendungen mit sich brachte. Olga galt später als die »Chefin« in der Familie Gauck, die wusste, was sie wollte und wie sie es erreichen konnte. Nach einer Ausbildung zur Bürokauffrau war sie schon mit zweiundzwanzig Jahren Büroleiterin in einer Rostocker Rechtsanwaltskanzlei geworden, zu der auch ein 27 Notariat gehörte. 1932 trat sie als Vierundzwanzigjährige der NSDAP bei. Wilhelm Joachim Gauck wurde zwei Jahre später Mitglied der Nazi-Partei. Ein nationalsozialistisches Amt oder eine entsprechende Funktion bei den Nationalsozialisten übten Joachim Gaucks Eltern nicht aus. Sie waren die klassischen Mitläufer. Allerdings glaubte Olga Gauck auch dann noch an den Führer und den Endsieg, als der Krieg längst entschieden war, wie damalige Briefe belegen.
    Nach ihrer Hochzeit gab Gaucks Mutter ihre Anstellung als Büroleiterin auf und zog mit ihrem Mann in die damalige Adolf-Hitler-Straße in Wustrow, heute Parkstraße, wo das Paar eine Haushälfte anmietete. In dem Dorf befand sich die staatliche Seefahrtschule, an der Seeleute zum
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