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Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gauck: Eine Biographie (German Edition)
Autoren: Mario Frank
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seinen Uraltfreunden begegnete, ist eine Episode, die Heidi Lüneburg nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten mit ihm erlebte. Bei einem Telefonat fragte sie ihn beiläufig nach seiner neuen Handynummer. »Das ist noch die alte«, erklärte er ihr selbstironisch, »die haben mir mein Telefon noch nicht weggenommen.« Ein anderes bezeichnendes Erlebnis hatte die Patentante seiner Tochter Gesine, Sibylle Hammer, einige Monate vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten bei einem gemeinsamen Essen in einem Restaurant. Humorvoll, mit fast kindlicher Freude sagte Gauck in Anspielung auf vergangene Zeiten und damit verbundene Einschränkungen zu seiner alten Freundin: »Du, Sibylle, ich bin jetzt reich. Bestell dir einfach, was du willst. Wirklich, du kannst essen, was du willst.« Gauck bekennt sich uneingeschränkt zu seiner Herkunft, zu seinen alten Freunden und zu seiner Sozialisierung. Den elften Bundespräsidenten zeichnet eine Ursprünglichkeit aus, die man von Politikern gemein 21 hin nicht kennt, und die ihn deshalb von ihnen unterscheidet. Das ist für jedermann spürbar und erfahrbar. Neben seiner außergewöhnlichen Zuwendung zu seinen Mitmenschen ist dieses »Geerdetsein« ein zweites, wesentliches Element seines Charakters. Und der zweite, ausschlaggebende Grund für Gaucks Erfolg und seine Beliebtheit in der Bevölkerung.

Herkunft
    Gaucks Vater Wilhelm Joachim war 1906 in Dresden geboren worden und ohne seinen Vater, den Dresdner Apotheker Walter Müller, aufgewachsen. Wie später sein Sohn wurde auch er Jochen genannt. Die Mutter von Wilhelm Joachim, Antonie Gauck, hatte sich 1914 vom Erzeuger ihres Sohnes scheiden lassen und das Kind allein großgezogen. Es muss zwischen den Großeltern von Joachim Gauck etwas sehr Gravierendes vorgefallen sein. Antonie verließ damals nicht nur Dresden, um in ihre Heimat Mecklenburg zurückzukehren, sondern ging auch zeit ihres Lebens keine neue Beziehung zu einem Mann ein. Joachim Gauck schreibt dazu in seinen Erinnerungen, dass niemand gewusst habe, warum seine Großeltern sich getrennt hatten und scheiden ließen. In der Familie Gauck existierte nicht einmal ein Bild des Großvaters, und Antonie Gauck weigerte sich kategorisch, über den 1915 in Leipzig verstorbenen Walter Müller zu sprechen.
    Dass ein Kind allein von seiner Mutter aufgezogen wurde, war in der bürgerlichen Gesellschaft des Kaiserreichs, Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, noch eine Ausnahme und für Wilhelm Joachim im Hinblick auf seine gesellschaftliche Akzeptanz sicher nicht hilfreich. Der Junge wird das, vor allem in der Schule, zu spüren bekommen haben. 22 Seine schulischen Leistungen als Gymnasiast in Rostock waren mäßig. Er blieb dreimal sitzen, bevor er 1926 das Abitur an einem Gymnasium in Berlin-Charlottenburg bestand. Das ist insofern bemerkenswert, als dass Gauck senior später hohe Anforderungen an die schulischen Leistungen seiner Kinder stellte und überhaupt ein entschiedener Verfechter des Leistungsgedankens war. Wer in dieser Hinsicht seinen Vorstellungen nicht genügte, hatte es schwer, von ihm geachtet zu werden, egal, ob es sich dabei um eines seiner Kinder oder Dritte handelte.
    Gleich nach dem Abitur heuerte Wilhelm Joachim Gauck 1926 als Schiffsjunge auf einem Segelschiff an und kam in den nächsten Jahren auf Handelsschiffen um die halbe Welt: nach Skandinavien, Afrika, Australien, Sumatra. Langsam arbeitete er sich empor. Mit neunundzwanzig wurde er »Steuermann auf großer Fahrt« und »Bordfunker II . Klasse«. Bis 1938 brachte er es schließlich zum Zweiten Offizier auf dem Motorschiff »Palime«, einem »Bananendampfer«, der für eine Hamburger Reederei Südfrüchte aus Afrika nach Deutschland transportierte. Als er sich in diesem Jahr, gerade von einer Fahrt aus Kamerun zurückgekommen, an Land wagte, empfing ihn im Hafen seine Verlobte Olga Warremann. Sie teilte dem überraschten Seebären mit, dass sie am nächsten Tag heiraten würden, ob er denn ihren Brief nicht bekommen habe. Gauck senior scheint keine ernsthaften Einwände erhoben zu haben, die Hochzeit fand, wie von seiner Verlobten geplant, am Tag darauf in Hamburg-Blankenese statt.
    Der Neffe von Gauck senior, Jörn-Michael Schmitt, urteilte über seinen Onkel, dieser sei damals und bis nach dem Krieg ein »zynischer Heide« gewesen, der sich geweigert habe, kirchlich zu heiraten, obwohl er der evangelisch-lutherischen Kirche angehörte. Marianne Gauck 24 widersprach diesem Eindruck über ihren Vater: »Er war
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