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Gassen der Nacht

Gassen der Nacht

Titel: Gassen der Nacht
Autoren: Jason Dark
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wieder an den Spiegel. Auch er gehörte in gewisser Hinsicht dazu. Möglicherweise gab es zwischen ihm und den Figuren im Prinzip den gleichen Zusammenhang wie zwischen Semerias und ihm. Noch immer konzentrierte ich mich auf Kara. Der Lampenstrahl huschte wieder an ihrer Gestalt hoch und verharrte in ihrem Gesicht. Trotz des groben Materials waren die Züge fein geschnitten, als hätte Kara persönlich tagelang Modell gestanden.
    Und dann geschah das Wunder.
    Das Gesicht bewegte sich. Nach einem kurzen Wimpernschlag schlug Kara die Augen auf…
    Ich rührte mich nicht.
    Zuerst glaubte ich an eine Täuschung oder daran, daß mir mein Wunsch einen Streich gespielt hatte. Aber es stimmte, die Augen der Figur waren nicht mehr geschlossen.
    Kara lebte!
    Nein, die Figur lebte, denn Kara selbst befand sich weit entfernt, in einem Refugium, einem Gebiet, das sich Baming stones nannte. Noch immer hielt ich den Atem an. Es war einfach zu unglaublich, was hier geschah.
    Dann tat ich etwas, das mich selbst überraschte. Ich sprach die Figur Kara an. Es war eine irrwitzige Hoffnung, die mich leitete. Ich rechnete zudem nicht damit, eine Antwort zu erhalten, aber ich konnte dem inneren Drang nicht widerstehen.
    »Hörst du mich, Kara…?«
    Sie bewegte ihren Mund. »Ja, John, ich höre und ich sehe dich. Sehr gut sogar.«
    Himmel, was war das. Ich stand in diesem düsteren und schmutzigen Raum und erlebte so etwas wie ein kleines Wunder. Kara, die Figur, konnte reden!
    Plötzlich war meine Kehle trocken. Über den Rücken hinweg strichen geisterhafte Krallenfinger und hinterließen eine Gänsehaut. Ich spürte in meinen Augen das heiße Brennen, ich wollte natürlich weitersprechen, nur schaffte ich es diesmal nicht mehr.
    »Du hast alles gesehen?« Nach einer Weile und nach mehrmaligem Atemholen brachte ich den Satz hervor.
    »Ja.«
    »Dann greife ein.«
    »Ich kann es nicht, John. Es geht nicht. Das hier ist nur eine Figur, ich bin es nicht. Aber ich habe mit ihr Kontakt, denn in ihr ist ein Stück meines Selbst gefangen. Diesen Weg kannst und mußt du allein gehen, und du wirst es schaffen.«
    »Meinst du Semerias?«
    »Wen sonst?«
    Ich hob die Hände an und ließ sie wieder sinken. »Nicht einmal du hast es geschafft, und mir fehlt die richtige Waffe, die ihn vernichten kann. Es hat doch alles keinen Sinn.«
    »Warum zweifelst du? Es gibt diese Waffe.«
    »Und welche?«
    »Mein Schwert.«
    Unwillkürlich senkte ich meinen Blick. Ja, da war das Schwert mit der goldenen Klinge. Es steckte so in der Scheide wie auch bei der echten Kara, und ich legte mit einer raschen Bewegung meine Hand auf den Griff.
    Er fühlte sich zwar hölzern an, trotzdem wirkte er auf irgendeine Art und Weise verändert.
    Was konnte das sein?
    Sie sah meinen etwas erschreckten Blick und gestattete sich ein Lächeln.
    »Ich bin die Figur, John, aber ich bin auch ich, verstehst du das? Ich bin damals von einem Künstler modelliert worden. Er war ein besonderer Mann mit sehr feinen, sensiblen Händen. Er modellierte mich naturgetreu, um mich anschließend weihen zu lassen, indem er mich zu einem sehr weisen Magier brachte. Er schaffte es in tage-und nächtelangen Sitzungen, mich und die Figur zu beschwören. Er gab ihr etwas mit, das mich mit der Figur verband, ein Stück Seele von mir, das eine Brücke schlagen konnte. Diese Brücke hat Bestand, sie wird immer bestehen bleiben, solange die Figur existiert. Ich habe nie den Kontakt zwischen ihr und mir so deutlich gespürt, aber nun ist es geschehen, denn die Zeiten haben sich verändert. Sie sind anders und schrecklicher geworden. Etwas Unheimliches ist erschienen und aus dem Dunkel der Zeiten hervorgetaucht. Ein uralter Feind, der seine Schattenburg durch dich verloren hat, aber ausweichen konnte in einen Spiegel, denn der Spiegel reflektiert die Seele des Menschen. Er schafft es aber auch, das Böse einzufangen, so wie es in diesem Fall geschehen ist. In ihm lebte er, in ihm regenerierte er sich, denn dieser Spiegel ist für ihn ebenso wichtig wie die Schattenburg.«
    »Und unzerstörbar«, sagte ich voller Bitternis.
    »Jemand hat ihn und die Figuren mitgebracht«, fuhr Kara fort. »Ich weiß nicht, wo er sie gefunden hat, aber er ist Seemann und weit in der Welt herumgekommen. Er hat die Dinge hergeschafft, doch auch gewußt, daß sie etwas Besonderes sind, und seinen Bruder deshalb gebeten, sie zu verstecken, was dieser ja auch getan hat. Ich habe dir nie davon erzählt, doch die Verbindung zwischen
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