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Gassen der Nacht

Gassen der Nacht

Titel: Gassen der Nacht
Autoren: Jason Dark
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noch mal. Ausgerechnet jetzt. Und zu einer Zeit, wo ich ihn wirklich nicht gebrauchen konnte.
    Ich schrie ihm zu: »Hau ab, Ray!«
    Er hörte nicht. »John, verdammt, was ist geschehen? Hast du die Bestie erwischt?«
    »Nein, Ray!«
    Der Inspektor ließ sich nicht beirren. »Gut, dann werde ich jetzt in den Laden kommen und dir jemanden zeigen, die…«
    »Bleibt da!«
    »Warum? Was hast du?« Schritte waren zu hören. Dann seine flüsternde Stimme.
    Eine Frau antwortete. »Ich habe Angst. Ich spüre ihn. Verdammt, Inspektor, er ist hier!«
    Verflucht noch mal, das lief mir aus der Kontrolle. Ich stand vor dem Spiegel und wußte nicht, ob ich zuschlagen oder es lieber bleiben lassen sollte. Dabei war es wichtig, ihn zu zertrümmern und eine Scherbe aufzunehmen, mit der ich Semerias töten konnte.
    Etwas fiel, krachte um. Es war ein Regal, hinter dem Semerias gelauert hatte.
    Die Frau schrie wie eine Sirene, und dazwischen hörte ich ein widerlich klingendes Fauchen.
    Der Werwolf war frei.
    Und ich hatte den verdammten Spiegel noch immer nicht zertrümmert. Noch einmal holte ich aus, weil ich die Waffe wieder hatte sinken lassen. Aus der Drehung heraus wuchtete ich sie gegen den Spiegel und hoffte, daß Ray und die Frau noch so lange durchhalten würden… Paula Devine sah das Regal kippen und die mörderische Gestalt wie aus dem Nichts auftauchen. Sie hatte noch ihre schrecklichen Erinnerungen an ihn, sie kannte ihn aus der Wohnung, wußte also, wie er aussah, doch der Anblick schockte sie auch jetzt.
    Als Untier wuchs er vor den beiden Menschen hoch, die nur noch eine Möglichkeit sahen.
    Die Flucht!
    Glücklicherweise stand die Haustür offen. Es gab für sie beide nur die eine Chance.
    Sie warfen sich zurück. Dabei reagierte Ralston schneller als Paula. Er schaffte es noch, die Frau mit sich zu reißen, denn sie hätte es vor Schreck kaum geschafft.
    Beide torkelten ins Freie, in die Kälte der Nacht. Sie waren längst nicht in Sicherheit, die Todesangst hielt sie immer noch in ihren Klauen, und sie hofften, daß die Bestie im Laden bleiben würde.
    Diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Beide standen wieder auf den Beinen und konnten durch die offene Tür zurückschauen. Die Bestie bewegte sich hin und her. Es sah aus wie ein irrer Schattentanz innerhalb einer finsteren Kulisse. Sie brüllte. Der Kopf ruckte von einer Seite zur anderen. Dabei bewegten sich auch die Augen rasch hin und her. Es sah aus, als würden vor seiner Fratze helle Blitze zucken. Ein infernalisches Gebrüll begleitete ihn auf dem Weg ins Freie. Die Bestie aus dem alten Atlantis schien alle Grenzen sprengen zu wollen, sie war allein auf den irren Drang fixiert, wieder Blut zu sehen. Paula Devine hatte das Gefühl, in Eiswasser gesprungen zu sein. An ihr war alles eingefroren. Sie schaffte es nicht einmal, den kleinen Finger zu bewegen. Ihr Gesicht hatte keinen natürlichen Ausdruck mehr. Es sah aus, als wäre die Haut einfach von einer anderen überklebt worden. Der Werwolf war wütend. Er bewegte sich auch dementsprechend und nahm auf nichts Rücksicht. Mit der rechten Schulter rammte er die Türecke so stark, daß alles erzitterte.
    Auch das zeugte davon, welch eine Kraft in diesem glatten Fellkörper steckte. Er torkelte auf den schmalen Gehsteig.
    Erst jetzt erwachte auch der Inspektor aus seiner Lethargie. Ihm war der Schock ebenfalls tief in die Glieder gefahren. Bisher hatte er nur von der Bestie gehört, nun sah er sie zum ersten Mal, stand ihr praktisch Auge in Auge gegenüber, und er war auch ehrlich gegen sich selbst, denn er erkannte, daß seine Chancen tief gesunken waren und sich dem Nullpunkt näherten.
    Trotzdem wollte er nicht aufgeben. Das hatte er noch nie getan. Irgendwie hoffte er, daß John Sinclair ihm zu Hilfe eilte. Er packte die Frau.
    Paulas Schock löste sich. Sie fing an zu zittern, dann mußte sie runter.
    »Hinter mir in Deckung.« Ralston war in dieser Zeit der unheimlichen Spannung nicht in der Lage, einen klaren Satz auszusprechen. Es gab nur noch eins.
    Kampf!
    Paula duckte sich, was auch Ray Ralston tat. Aber er zog seine Waffe, schob den rechten Fuß vor und nahm eine Stellung ein, wie man sie ihm beigebracht hatte.
    In der unmittelbaren Nähe waren die Schreie der Frau gehört worden. Fenster wurden aufgerissen, erschreckte Gesichter malten sich blaß und bleich in den offenen Rechtecken der Fenster ab.
    Plötzlich war Ralston die Ruhe selbst. Die Umgebung und deren Geräusche interessierten ihn nicht
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