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Gassen der Nacht

Gassen der Nacht

Titel: Gassen der Nacht
Autoren: Jason Dark
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tiefe, kalte, abweisende und gleichzeitig unheimliche Schwärze, aber dennoch keine glatte Fläche.
    Bevor ich mich um ihre Struktur kümmerte, um festzustellen, ob ich mich beim ersten Hinsehen nicht getäuscht hatte, warf ich einen Blick auf den Gefesselten.
    Der rührte sich nicht.
    Starr und gleichzeitig verkrampft lag er auf dem Boden, noch immer in tiefer Bewußtlosigkeit versunken. Da ich meine Schläge kannte, wußte ich auch, daß er so schnell nicht wieder aufwachen würde und mir von seiner Seite keine Gefahr drohte.
    Ich kümmerte mich um den Spiegel.
    Nach einem Schritt stand ich dicht davor. Ich faßte gegen die Fläche. Es stimmte. Sie war nicht mehr glatt, sondern auf eine bestimmte Art und Weise rauh und rissig, als hätte jemand versucht, sie mit einem Messer aufzuritzen oder zu beschädigen, wobei er nach einem bestimmten Plan vorgegangen war und ein regelrechtes Puzzle in die Fläche hineingeschnitten hatte.
    Noch hielten die Teile zusammen, aber es hätte nur jemand von der Rückseite her gegen den Spiegel zu schlagen brauchen, damit die Teile vorn herausfielen, so locker erschienen sie mir.
    Ich zog den Dolch, um ihn in die Risse zu klemmen. Die Spitze fand ihren Weg, aber sie schaffte es nicht, auch nur einen Splitter zu lösen. Alles hing dicht zusammen, es haftete aneinander, als hätte jemand die einzelnen Teile mit einem schwarzmagischen Leim zusammengeklebt. Ich setzte die Messerspitze an einer normalen Spiegelfläche an und versuchte sie einzuritzen.
    Es war unmöglich.
    Immer wieder glitt mein Silberdolch ab, einmal so heftig, daß mir die Klinge beinahe in den linken Unterarm gefahren wäre. Den Stoff hatte sie schon berührt.
    Ich gab es auf.
    Dieser Spiegel widerstand all meinen Bemühungen. Er war eben etwas Besonderes und für gewisse Kreaturen auch Kostbares, die ihn zugleich mit einer für mich nicht erklärbaren Kraft gefüllt hatten. Ich trat wieder zurück. Dabei dachte ich an meinen ursprünglichen Plan, nach oben zu gehen, wo die Figuren standen. Mich hätte es wahnsinnig interessiert, wo dieser Eric Temple sie gefunden hatte. Irgendwie bedauerte ich es, ihn ins Reich der Träume geschickt zu haben, aber es ließ sich nun nicht mehr ändern, und ich mußte es auf eigene Faust versuchen.
    Es gibt Fälle, bei denen man ein gutes Gefühl hat, es gibt aber auch welche, wo das völlig fehlt. So erging es mir hier. Ich hatte alles, nur eben kein gutes Gefühl. Einfach deshalb, weil ich nicht wußte, wie ich diese Kreatur besiegen sollte.
    Sie war zu stark, sie war mir überlegen, ich konnte mit meinen ›Waffen‹ nichts gegen sie ausrichten. Da hätte ich schon Gegenmittel aus Atlantis herbeischaffen müssen.
    Die Luke hatte ich offengelassen. Ich steckte meinen Kopf hindurch und schwang den Körper nach, um den muffigen, mich an Vergangenheit und Vergessen erinnernden Raum betreten zu können. Ich schaltete wieder die Lampe an.
    Da standen sie unbeweglich. Zeugen einer sehr alten Kultur, übriggeblieben, herbeigeschafft wie der Spiegel. Nur eben, daß aus ihm das Grauen geklettert war.
    Ich ließ den Strahl kreisen, der auch über den staubigen Boden hinweghuschte.
    Die Figuren rührten sich nicht. Obwohl sie nicht lebendig waren, hatte ich das Gefühl, als würden sie mich anstarren.
    Ich schritt die Reihe ab und blieb erst dann stehen, als ich in das Gesicht der Kara schauen konnte.
    Der Grund, weshalb ich genau vor ihr meine Schritte angehalten hatte, war leicht zu erraten. Sie war es gewesen, die damals Semerias vergeblich bekämpft hatte. Nun, es war ihr nicht gelungen, und hätte ich die Möglichkeit gehabt, sie zu informieren, wäre sie in dieser Minute bei mir gewesen, um den ersten Werwolf von Atlantis endgültig zu vernichten.
    Abermals wunderte ich mich darüber, wie lebensecht der Künstler sie nachmodelliert hatte. Sie war schon ein echtes Kunstwerk, etwas Wunderbares und in den Farben so gehalten, wie sie sich gern anzog. Das war auch bei den anderen der Fall.
    Ich würde Eric auf jeden Fall fragen, woher er diese Figuren hatte. Sein Bruder hatte sie auch nicht in den Verkaufsraum gestellt, sondern hier oben versteckt. Was natürlich in mir den Verdacht bestärkte, daß er nie vorgehabt hatte, sie zu verkaufen. Er wollte sie für sich behalten. Warum?
    Als Krösus hätte man ihn bestimmt nicht bezeichnen können. Oder hatte er gespürt, daß mit diesen Figuren etwas nicht stimmte, weil sie eben so lebensecht aussahen? Lebensecht war aber nicht lebend. Ich dachte
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