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Gassen der Nacht

Gassen der Nacht

Titel: Gassen der Nacht
Autoren: Jason Dark
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sich rächen wollen.« Paula lief auf Ralston zu und klammerte sich an ihm fest. »Bitte, Mr. Ralston, nehmen Sie mich mit! Ich bitte Sie, ich kann hier nicht bleiben. Es ist für mich einfach nicht.«
    Er wollte nicht, er wollte ihr sagen, daß es zu gefährlich war, sie mitzunehmen, doch er konnte es nicht. Ralston brauchte nur in das angstverzerrte Gesicht zu schauen, um zu wissen, daß er nicht die Kraft haben würde, ihr den Wunsch abzuschlagen.
    »Was ist denn, Mr. Ralston?«
    Er holte noch einmal tief Luft. Dann nickte er. »Bitte, Mrs. Devine, Sie wissen doch.«
    »Ja, ich weiß. Und ich weiß auch, daß ich leben will. Ich will nicht allein hier in der Wohnung bleiben. Wenn die Bestie zurückkehrt, wird sie mich zerreißen!«
    Er überlegte noch, war hin-und hergerissen. Die Entscheidung fiel ihm verdammt schwer. Die Frau klammerte sich noch immer an seine Schultern, als wollte sie ihn nie mehr loslassen.
    »Was werden Sie tun?«
    Er hatte all die Qual und die Angst aus dieser Frage herausgehört. Daß sie ihn hatte töten wollen, war längst vergessen. Das war ja nicht sie selbst gewesen, sondern eine andere Macht, die von ihr Besitz ergriffen hatte.
    »Ja, okay«, sagte er schließlich. »Ziehen Sie sich etwas über. Ich nehme Sie mit.«
    Vor Erleichterung weinte sie, und der Inspektor verdrehte nur seine Augen.
    ***
    Jemand kam und blieb vor dem Laden stehen.
    Ich hatte den Bereich des Eingangs noch nicht verlassen und wartete in seinem Schutz. Der Mann warf Blicke in das Schaufenster, obwohl er dort nicht viel erkennen konnte. Ich hörte, daß er mit sich selbst sprach, und roch seine Schnapsfahne, die der leichte Wind gegen meine Nase trieb. Der einsame nächtliche Wanderer schimpfte über den verfluchten Vollmond, bevor er sich mit etwas torkelnden Bewegungen umdrehte und seinen eigentlichen Weg fortsetzte. Ich schaute ihm nach. Gesehen hatte er mich nicht.
    Dieser Knabe war gegangen, ich aber stand noch hier und hatte eigentlich vorgehabt, ebenfalls durch die Gassen zu patrouillieren, aber da war etwas, das mich bisher davon abgehalten hatte. War es ein Gefühl, eine Ahnung?
    Ich konnte es nicht sagen. Jedenfalls hielt ich an diesem Plan nicht mehr länger fest. Er erschien mir plötzlich nicht mehr gut genug. Zudem war ja Ray Ralston unterwegs.
    Ich schaute hoch zum Himmel.
    Schwarzgrau hatte er eine Decke über der Stadt gebildet. Nur an einer Stelle war sie kreisrund eingeschnitten. Da leuchtete der Mond herab und bedeckte alles mit seinem kalten Licht. Er war ein Bote der Nacht, ein Gewächs der Finsternis, jemand, der unheimlichen Geschöpfen die Kraft gab, um überleben zu können.
    Dabei dachte ich an die zahlreichen Vampire, die durch ihn neue Kraft tankten, und ebenso verhielt es sich mit den Werwölfen, wobei Semerias zu den schlimmsten zählte.
    Uralt, in Atlantis zum erstenmal erschienen, wo er auch seine Kämpfe ausgefochten hatte. Aber schon damals wußte man über ihn Bescheid. Kara, die Schöne aus dem Totenreich, hatte ihn gestellt, aber es nicht geschafft, ihn zu vernichten.
    Der Gedanke an Kara brachte mich auf eine andere Idee. Ich dachte daran, daß sich die Figuren im oberen Raum befanden. Unter anderem zählte auch Kara dazu.
    Nur Figuren…
    Tatsächlich nur? Plötzlich spürte ich die Unruhe in mir. Der Gedanke an die Figuren wollte mich einfach nicht loslassen. Da mußte etwas sein, das diese Idee in mir hatte entstehen lassen. Grundlos beschäftigte ich mich damit nicht.
    Mein Plan war es gewesen, durch die Gassen zu wandern und nach der Bestie zu suchen. Ich würde es nicht tun, sondern hier im Laden bleiben. Hier war auch der Spiegel, für mich so etwas wie eine Zentrale, denn zwischen ihm und Semerias gab es eine Verbindung. Ich ging wieder zurück.
    Die Türglocke war abgestellt, und als ich den Eingang hinter mir geschlossen hatte, da war es mir, als hätte ich eine dumpfe, bedrückende Welt betreten, in der allein das Böse regierte. Ich kannte den Weg mittlerweile sehr genau. Ohne große Schlenker zu gehen, näherte ich mich dem Spiegel, diesem verfluchten Zentrum des Geschäfts.
    Vor ihm blieb ich stehen.
    Es war zwar düster, aber nicht stockdunkel. Ich stand vor der Fläche und hätte mich trotzdem darin sehen müssen, was in meinem Fall nicht so war. Es gab den Spiegel nicht mehr so, wie ich ihn kannte. Nur sein Rahmen war gleich geblieben. Die Spiegelfläche selbst hatte sich radikal verändert. Sie war nicht mehr glatt und glänzend. Diesmal zeigte sie eine
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